Die Schöne und das Biest

26 Jahre seit Disneys Zeichentrickadaption von DIE SCHÖNE UND DAS BIEST kehrt der Musicalklassiker als Realfilm zurück auf die internationalen Leinwände. Ist der Film ein Desaster wie „Maleficent“, oder ein weiteres Meisterwerk wie „The Jungle Book“? Das und mehr verrate ich in meiner Kritik.Die Schöne und das Biest

Der Plot

Die kluge und anmutige Belle (Emma Watson) lebt mit ihrem leicht exzentrischen Vater Maurice (Kevin Kline) ein beschauliches Leben, das nur durch die Avancen des Dorfschönlings Gaston (Luke Evans) gestört wird. Doch als Maurice auf einer Reise in die Fänge eines Ungeheuers (Dan Stevens) gerät, bietet die mutige junge Frau ihre Freiheit im Austausch gegen das Leben ihres Vaters an. Trotz ihrer Furcht freundet sich Belle mit den verzauberten Bediensteten im verwunschenen Schloss des Biests an. Mit der Zeit lernt sie hinter dessen abscheuliche Fassade zu blicken und erkennt seine wahre Schönheit…

Kritik

Der Trend, bekannte Zeichentrickfilme als Live-Action-Movie wiederaufzulegen, ist für Disney noch lange nicht vorbei. Kein Wunder: Mit „Maleficent“ (757 Millionen US-Dollar Einspiel), „Cinderella“ (543 Millionen) und „The Jungle Book“ (966 Millionen) ist der Mäusekonzern bislang sehr gut gefahren. In den kommenden Jahren stehen unter anderem Realfilmadaptionen von „Mulan“ und „Winnie Pooh“ ins Haus – und dazwischen erwachen Belle und das Biest aus dem Zeichentrickklassiker „Die Schöne und das Biest“ von 1991 zu neuem Leben. Nicht nur an den Kinokassen wuchs die Disney-Variante des französischen Volksmärchens zu einem stattlichen Erfolg heran – unter anderem war der insgesamt 30. Film aus dem sogenannten Meisterwerke-Kanon der erste, dem es gelang, die 100-Millionen-Dollar-Marke zu durchbrechen –, auch abseits von den nackten Zahlen sorgte das sechsfach Oscar-nominierte Trickmusical für Aufsehen. So war „Die Schöne und das Biest“ der erste animierte Spielfilm, der in der Sparte „Bester Film“ für einen Academy Award nominiert wurde; eine Ehre, die bis heute nur zwei weiteren Filmen dieses Segments zuteil wurde: „Oben“ (2011) und „Toy Story 3“ (2012). Wie gut die Idee sein würde, diesen zeitlosen Klassiker nun erneut zu adaptieren, zeichnete sich bereits ab, als vor Monaten der erste Teaser-Trailer zu „Die Schöne und das Biest“ veröffentlicht wurde: Mit 91,8 Millionen Klicks in den ersten 24 Stunden stieß das erste Bewegtbildmaterial des Films sogar den bisherigen Rekordhalter „Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht“ vom Trailer-Thron. Die Zeichen stehen also auf Erfolg. Und mit dem Blick auf das fertige Projekt wäre dieser dem Film wirklich zu wünschen.

Gaston (Luke Evans) macht Belle (Emma Watson) einen Heiratsantrag.

Gaston (Luke Evans) macht Belle (Emma Watson) einen Heiratsantrag.

Wem schon die Zeichentrickvorlage zu musikalisch war, der wird mit der Realfilmvariante von „Die Schöne und das Biest“ sein blaues Wunder erleben. Denn auch, wenn sich Regisseur Bill Condon („Mr. Holmes“) anders als seine Vorgänger weniger darum bemüht, seinem Projekt neue Facetten und Erzählschwerpunkte beizumengen um sich stattdessen sehr penibel am Original zu orientieren, ist sein Film vor allem eines: noch musikalischer! Das liegt in erster Linie daran, dass nicht bloß sämtliche Songs von 1991 beibehalten wurden, sondern extra für diese modernisierte Fassung auch drei neue Musikbeiträge geschrieben wurden. Dank der Beteiligung von Alan Menken („Aladdin“, „Arielle, die Meerjungfrau“), der wie schon vor 26 Jahren die Musiken zu „Die Schöne und das Biest“ und eben auch die drei neuen Lieder geschrieben hat, fügen sich die neuen Melodien gut in den Film ein. Trotzdem lässt es sich nicht leugnen, dass es anfangs ein wenig ungewohnt anmutet, wenn sich zwischen die bekannten, zum Mitsummen einladenden Lieder solche mogeln, die für unser Gehör bislang unbekannt sind. Bis auf ein Solo des Biests, dem es bisher nicht vergönnt war, sich auch mal ganz allein den Schmerz von der Seele zu schmettern, hätte es die neuen Songs zudem nicht zwingend gebraucht. Trotzdem unterstreichen sie den Wert von „Die Schöne und das Biest“ als ganz auf seine Musikalität konzentriertes Märchen, das auch inszenatorisch die Orientierung an klassischen Bühnenmusicals erkennen lässt. Insofern wählt Bill Condon bei seiner zweiten Musical-Arbeit nach „Dreamgirls“ doch einen neuen Ansatz. Anders als die Regisseure von „Maleficent“ und Co. bleibt der „Twilight“-Regisseur erzählerisch trotzdem auf altbewährtem Terrain.

„Maleficent“, „Cinderella“ und „The Jungle Book“ einte allesamt eine weitaus reifere, im Falle der „Dschungebuch“-Adaption sogar gar nicht mehr so kinderfreundliche Inszenierung. „Die Schöne und das Biest“ lebt hingegen von derselben beschwingt-gezuckerten Attitüde, mit der schon die Zeichentrickvariante den Zuschauer um den Finger wickeln konnte. Mitunter wählt Bill Condon gar identische Kameraaufnahmen (Tobias A. Schliessler) oder setzt eins zu eins auf Dialoge, wie sie schon im Original vorkamen. Trotzdem ist „Die Schöne und das Biest“ von 2017 satte 40 Minuten länger, als der Film von 1991. Neben den Liedern liegt das auch an vereinzelten Sequenzen, die im Original nicht vorkamen, sowie an einer ausladenderen Exposition, einhergehend mit deutlich üppiger ausfallenden Performances der bekannten Musicaldarbietungen. Diese bilden wie im Falle von „Sei hier Gast“ nicht bloß das Herzstück des Films, sondern weiten sich im Laufe des Films zu immer spektakuläreren Happenings aus, in denen es sich als Zuschauer wunderbar schwelgen lässt. Dabei lebt „Die Schöne und das Biest“ sichtbar von den inszenatorischen Gegensätzen: Auf der einen Seite versprüht die reduzierte, jederzeit als Studiokulisse erkennbare Szenerie das Flair einer Broadway-Bühne, auf der anderen Seite ist der Film voller Details und gewinnt mit der Zeit immer mehr an visuellem Bombast. Vor allem die weltberühmte „Sei hier Gast“-Musicalszene präsentiert sich so farbenfroh und dynamisch, wie man es sonst nur aus Animations- und Zeichentrickfilmen gewohnt ist. Es sind aber vor allem die perfekt choreographierten, von Hunderten von Statisten zum Leben erweckten Songperformances, mit denen „Die Schöne und das Biest“ steht und fällt. Wenn wiederholt die schmetternden Chöre ertönen und jede einzelne Bewegung, jedes einzelne Geräusch zum Teil der Gesangsdarbietungen wird, erinnert das nicht selten an „Les Misérables“ und Co.

Von Unruh, Madame Pottine, Lumière und Plumette

Von Unruh, Madame Pottine, Lumière und Plumette

Bei einer Geschichte, die Jung und Alt bekannt ist, steht weniger das Ziel als der Weg dorthin im Fokus. Dass dieser den Zuschauer auch 26 Jahre nach dem erstmaligen Betreten desselben immer noch mitreißt, liegt im Falle von „Die Schöne und das Biest“ nicht bloß an den ausgeklügelten Trickeffekten, die den Kerzenständer, die Standuhr oder den Kleiderschrank zum Leben erweckt. Vor allem die Darsteller füllen den Film mit Persönlichkeit und Charisma. Emma Watson („Colonia Dignidad“) kombiniert in ihrer Rolle der Belle die Ausstrahlung und Anmut einer klassischen Disney-Prinzessin, verhilft ihr jedoch gleichsam zu einer toughen, selbstbestimmte Attitüde und betont so das an den aktuellen Zeitgeist angepasste Erscheinungsbild. Wie vorab bekannt wurde, ist „Die Schöne und das Biest“ nämlich auch der erste Film, in welcher der Disney-Konzern mit Gastons Handlanger LeFou (Josh Gad) eine offen homosexuelle Figur in die Story einbezieht. Dieser Umstand gerät angenehmerweise weitaus selbstverständlicher, als es die große Ankündigung vorab vermuten ließ; die vereinzelten Szenen sind aussagekräftig genug, um als Statement zu funktionieren, stehen der Normalität der Sache jedoch nicht im Wege – ein herausragend bewältigter Balanceakt! Weitaus weniger herausragend präsentiert sich dagegen die visuelle Darstellung des Biests, dem das Skript (Stephen Chbosky, Evan Spiliotopoulos) zwar einige feine, überraschend humoristische Ecken und Kanten zugesteht, das trotz seiner Masse jedoch fast ein wenig unscheinbar wirkt. Abgesehen von der oberflächlich sehr detailgetreuen Animation fehlt es dem wuchtigen Wesen nämlich sichtbar an Masse; wenn das Biest die Treppen zum Turm emporsteigt oder gar von einer Turmspitze zur nächsten springt, entwickelt sich nie so recht ein Gefühl für sein Gewicht.

Die Darstellung der zu Gegenständen verwandelten Schlossangestellten ist da schon weitaus besser gelungen. Die Interaktion zwischen Belle und ihren sympathischen Helferlein lebt jedoch nicht bloß von ausgeklügelter Tricktechnik, sondern auch von den zugehörigen Darstellern, die Monsieur Lumière (Ewan McGregor), Cogsworth (Ian McKellen), Mrs. Potts (Emma Thompson), Plumette (Gugu Mbatha-Raw) oder Maestro Cadenza (Stanley Tucci) ihre Stimme leihen. Vor allem das Duo aus Lumière und Cogsworth ist für einen Großteil des dem Film innewohnenden Humors verantwortlich, während Emma Thompson („Saving Mr. Banks“) ihre mütterliche Fürsorglichkeit wie einen schützenden Mantel um Belle und den gesamten Film legt. Sie alle füllen das Schloss mit Leben und entwickeln sich im Laufe der Handlung zu weit mehr als nur Sidekicks, die im Hintergrund die wichtigen Strippen ziehen. Unter den ausschließlich menschlichen Figuren hinterlassen vor allem Luke Evans („Girl on the Train“) als unausstehlich-schmieriger – und übrigens mit am besten singender – Gaston, sowie Kevin Kline („Ricki – Wie Familie so ist“) als absolut rührender, warmherziger und stets um das Wohl seiner Tochter bemühter Vater Maurice für prägende Akzente.

Belle (Emma Watson) und das Biest (Dan Stevens)

Belle (Emma Watson) und das Biest (Dan Stevens)

Fazit: Bill Condons „Die Schöne und das Biest“ ist ein starbesetztes Märchen-Musical am Puls der Zeit, das trotz kleiner technischer Schwächen ein ähnlich magisches Flair versprüht, wie die Zeichentrickvorlage aus dem Jahr 1991.

„Die Schöne und das Biest“ ist ab dem 16. März bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

Ein Kommentar

  • „dem es bisher nicht vergönnt war, sich auch mal ganz allein den Schmerz von der Seele zu schmettern“ Grad sehr gelacht. Danke^^ Gebe offen und ehrlich zu, dass mich auch keine schlechte Kritik davon abhalten würde in diesen Film zu gehen. Absoluter Vertrauensvorsprung durch das Original.

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