2016 – Die Plätze 10 bis 1

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge werde ich mit den Top 10 meiner Lieblingsfilme 2016 nun endgültig mit dem vergangenen Jahr abschließen. Ein kurzes Abschlussfazit: Ich bin mit den vergangenen zwölf Monaten sehr zufrieden. Es gab wenig Filme, die mich wirklich richtig genervt, angekotzt oder angewidert haben. Stattdessen konnte ich einem Großteil der gestarteten Produktionen tatsächlich wenigstens Kleinigkeiten abgewinnen. Leider geht der Trend zur Verallgemeinerung: Entweder ist etwas supertoll oder ganz, ganz mies. Darüber vergisst manch einer gern das Mittelfeld, dem sich gerade in diesem Jahr ein Großteil der Filme zuordnen lässt. Einen Großteil der Hypes habe ich nicht verstanden – weder positiv, noch negativ. Von den diesjährigen Oscars ist mir nicht der große Gewinner „Spotlight“, sondern in erster Linie „The Revenant“ in Erinnerung geblieben. Es war das Jahr der Alicia Vikander, der Maren Ade und des Animationsfilms. Und der Sequels, die erst Jahre bis Jahrzehnte nach dem letzten Teil auf den Markt gekommen sind. Nun aber genug in der Vergangenheit geschwelgt – Zeit, für die letzten ehrenwerten Nennungen:

Nachdem ich vor den Plätzen 20 bis 11 auf die Arthouse-Filme einging, die den Sprung in die Tops knapp verpassten, hier nochmal die Mainstream-Produktionen, die ich aus unterschiedlichen Gründen in mein Herz geschlossen habe: Ausgerechnet das Sequel zum grottenschlechten „Ouija“, OUIJA: URSPRUNG DES BÖSEN (Platz 42), war ein richtig starker, selbstironischer Vertreter seines Genres. Wäre ich nicht auf sehr hohem Niveau enttäuscht gewesen, hätte DEADPOOL (Platz 44) seinen Platz in meinen Tops sicher gehabt. THE BIG SHORT (Platz 50) bestach damit, ein schwieriges Thema amüsant und kurzweilig aufzubereiten, CREED (Platz 55) brachte Rocky zurück auf die Leinwand, BAD MOMS (Platz 56) hatte das Herz am rechten Fleck, MONEY MONSTER (Platz 57) hielt als einziger Film dieses Jahres die Fahne des klassischen Thriller hoch, BAD NEIGHBORS 2 (Platz 58) übertraf nochmal seinen unterschätzen Vorgänger und 10 CLOVERFIELD LANE (Platz 61) wurde zu der Überraschung des Kinosommers. 

10

The Neon Demon

Der neueste Film von Nicolas Winding Refn bildet den Auftakt der Top Ten meiner Lieblingsfilme 2016. THE NEON DEMON, ein in grelle Neonfarben getauchter, grotesker Modealbtraum über ein Mädchen, das sich in Los Angeles als Mannequin probiert, funktioniert fast schon als Aneinanderreihung diverser Stillleben, denn die Geschichte an sich, einhergehend mit der Botschaft, dass sich die Modebranche auf lange Sicht selbst verschlingt, ist nicht wirklich neu. Aber „The Neon Demon“ ist ja eigentlich auch gar kein richtiger Film, sondern wie seine bisherigen, populärsten Filme „Drive“ und „Only God Forgives“ ein absolut morbides Kunstwerk, das einen einlädt, es am eigenen Leib zu spüren. Refns mit Horrorelementen versehener Thriller hat nicht nur eine der paralysierendsten Eröffnungssequenzen der Kinogeschichte zu bieten, sondern ist mit seiner Verschmelzung aus visuellem Bombast und pulsierendem Score ein absolut einprägsames Filmerlebnis. Beauty isn’t Everything – It’s the Only Thing!

9

Mein Ein, mein Alles

Es ist der Inbegriff einer tragischen Liebesgeschichte und gleichzeitig auch mein liebster französischer Film aus diesem Jahr: MEIN EIN, MEIN ALLES von der Filmemacherin Maïwenn erzählt vom Auf und Ab einer Beziehung, die so herzzerreißend, so brutal, so pur ist, dass man am Ende des Films entweder umso stärker, oder nie wieder an die wahre Liebe glaubt. Emmannuelle Bercot als ihrem „König“ verfallene Träumerin und ihr Liebhaber, gespielt von Vincent Cassel, der nie attraktiver war, als in diesem Film, durchleben eine von der ganzen Härte des Lebens geprägte Romanze, die den Zuschauer auf ganzer Linie umhaut. Trotz allem urteilt die Filmemacherin nicht. Sie lässt ihr Publikum einfach nur an der vollständigen emotionalen Bandbreite ihrer Protagonisten teilhaben. Über zwei Stunden lang durchleben wir mit den beiden gemeinsam, was es bedeutet, wirklich zu lieben. Und wenn wir das Kartenhaus dann einstürzen sehen, offenbart sich die ganze Kraft dieses spektakulären, leider kaum bekannten Films.

8

The Jungle Book

Die Realverfilmung des Zeichentrickklassikers „Das Dschungelbuch“ gehört zu den tricktechnisch wegweisenden Meisterwerken 2016. Und das, wo THE JUNGLE BOOK doch eigentlich gar keine wirkliche Realverfilmung ist. Im Grunde ist Jon Favreaus Interpretation der Geschichte um einen Waisenjungen, der im Dschungel aufwächst, nämlich nicht mehr als die Anpassung an moderne Animationsgefilde. Das kann man angesichts dieses hohen Niveaus allerdings kaum glauben, denn „The Jungle Book“ sieht vor allem auf der großen Leinwand täuschend echt aus. Dass die Tiere und Hintergründe aus dem Computer stammen und das einzig Echte an dem Film der junge Darsteller ist, glaubt man erst, wenn man sich das dazugehörige Making-Of-Material anschaut. Die Illusion jedenfalls ist so perfekt, dass man sich während des Films mitten im Urwald wähnt. Das ist nicht nur wunderschön, zusammen mit der kurzweiligen, spannenden Geschichte und den emotionalen Einschüben ergibt es auch meinen 8. Platz der Jahrescharts.

7

Die Unfassbaren 2

Der zweite Teil der Zauberer-Heist-Movie-Reihe „Die Unfassbaren“ kam ja nun mal so gar nicht an bei Zuschauern wie Kritikern – und wenn ich ganz ehrlich bin: Ich kann es ein Stück weit verstehen. DIE UNFASSBAREN 2 kann man wirklich nur genießen, wenn man alles was in diesem Film passiert einfach so hinnimmt, wie man es uns vorsetzt. Und weil ich das sehr gut konnte und ich mich erneut an den vielen Twists und Turn-Arounds erfreuen konnte, mir darüber hinaus die Interaktion des Casts samt Neuzugängen wirklich ans Herz gewachsen ist und das Franchise mich schon mit dem ersten Teil vollständig in seinen Bann gezogen hatte, kann ich nur sagen: Ich habe mit diesem Film nicht nur einen meiner spaßigsten Kinoerlebnisse in diesem Jahr gehabt, sondern die Produktion selbst auch sehr tief in mein Herz geschlossen. Eine Sekunde der Anerkennung – dann könnt Ihr meinetwegen auch gern wieder auf ihn eindreschen…

6

The Revenant - Der Rückkehrer

Da hat er ihn ja endlich – den Oscar! Und auch, wenn seine Performance in THE REVENANT – DER RÜCKKEHRER schon arg darauf ausgelegt war, dass der gute Leo nun endlich seinen Academy Award bekommt, so war das diesmal dann doch einfach fällig. Was musste der arme Mann nicht alles über sich ergehen lassen, während seiner dreistündigen Tour de Force als halbtoter Hugh Glass, der auf Rache an demjenigen sinnt, der seinen Sohn tötete und anschließend ihn zum Sterben zurückließ? Der von „Birdman“-Regisseur Alejandro González Iñárritu inszenierte Survival-Western ist vielleicht an manch einer Stelle einen Ticken zu lang und geht mit seinen teils drastischen Gewaltdarstellungen bisweilen über Schmerzgrenzen hinaus. Aber genau das muss man gesehen haben, um nachzufühlen, wie dieser Überlebenskampf einst vonstatten gegangen sein muss. Stärkere Bilder als in diesem Film hat man 2016 jedenfalls nicht auf der Leinwand zu sehen bekommen.

5

Findet Dorie

13 Jahre nach ihrem ersten Ausflug auf die Kinoleinwand wurde in FINDET DORIE 2016 die weltberühmte Doktorfischdame aus dem Pixar-Meisterwerk „Findet Nemo“ zum Star eines neuen, herzergreifenden Animationsfilms der Trickschmiede. Und ein weiteres Mal gelingt es den Machern, all das zu verbinden, womit der Konzern seit Jahrzehnten Groß und Klein glücklich machen kann. Was nach einer abgedroschenen Plattitüde klingt, umfasst die Magie hinter den Pixar-Studios in vollem Umfang. Neben den selbstverständlichen, hohen Produktionsstandards begeistert das Abenteuer um die nach ihren Eltern suchende Dorie vor allem deshalb, weil es eine sympathische Zusammengehörigkeitsmessage mit der Melancholie eines wirklich ernsten Themas verbindet: dem Vergessen. Es geht um Freundschaft, Familie, der Suche nach sich selbst und den Aufbruch zu neuen Ufern. Damit deckt „Findet Dorie“ allumfassend sämtliche Gefühlsregungen ab, die man während eines einzigen Films abdecken kann.

4

Conjuring 2

Vor drei Jahren schlug James Wans altmodisch inszenierter Gruselhorrorfilm „Conjuring – Die Heimsuchung“ ein wie eine Bombe. Kaum einer glaubte daran, dass nun ausgerechnet eine Fortsetzung die damals erreichte Qualität noch einmal übertreffen würde. Mit CONJURING 2 belehrte uns der derzeitige Meister des Schauerkinos eines Besseren. Sein zweiter Fall um das legendäre Warren-Ehepaar thematisiert den sogenannten Enfield-Poltergeist, der in den Achtzigerjahren einer Londoner Familie das Fürchten lehrte. 133 Minuten dauert Wans Schocker – und jede einzelne davon hat ihre Berechtigung. „Conjuring 2“ dringt nicht nur tiefer in die Befindlichkeiten der Warren-Familie ein, sondern kombiniert in sich diverse Genres zu einem unheimlichen großen Ganzen. Tricktechnische Meisterleistungen, ein echt fieser Soundtrack, feine Jumpscare-Variationen und eine Spannungsschraube, die selbst dann noch angezogen wird, wenn es eigentlich gar nicht mehr geht: Dieser Film wird in die Annalen des Horrorkinos eingehen!

3

Ghostbusters

Geisterjäger, die Zweite: Doch wurde um die Damen auf meinem Bronze-Treppchen deutlich mehr Terror gemacht, als um Herrn und Frau Warren. Als sich Paul Feig dazu entschloss, die GHOSTBUSTERS neu aufzulegen, hätte er sich wohl nicht einmal im Traum ausgemalt, dass er sich damit auch direkt selbst den Medienskandal des Jahres zusammenbasteln würde. In diesem Sommer schien es kein „vielleicht“ zu geben: Entweder man war für oder gegen die Ghostbusters, die einigen interessanten Meinungen zufolge ja Teil einer ausgeklügelten Emanzipationskampagne von Seiten Sony gewesen sein sollen – oder so ähnlich. Um all das geht es aber gar nicht, denn die Damen Ghostbusters von 2016 sind mit ihrem zwanglosen Humor und dem, im wahrsten Sinne des Wortes, blondesten Sekretär aller Zeiten die Urheber der besten US-Komödie des Jahres. Und mit den pompösen, besonders in 3D hervorragend zur Geltung kommenden Effekten will ich des Platzes wegen gar nicht erst anfangen…

2

ArrivalStell Dir vor, Du siehst einen Film und nach zwei Stunden wirst Du gezwungen, alles Bisherige noch einmal geballt innerhalb von Sekunden erneut zu durchleben. Du wirst nicht anders können, als von diversen Gefühlsausbrüchen übermannt zu werden und am Ende heulend im Kinosessel zu versinken. Exakt so erging es mir bei der Sichtung von ARRIVAL. Jenem Film, mit dem der bisher mit jedem seiner Werke in meinen Jahrescharts vertretene Meisterregisseur Denis Villeneuve in diesem Jahr direkt bis aufs Silbertreppchen vorrücken darf. Sein ruhiges Science-Fiction-Drama fühlt sich an wie eine Minimalversion von „Interstellar“, behandelt er doch ähnliche Themen und funktioniert an selber Stelle über einen ähnlichen Twist. Doch hier ist alles eine spur kleiner, feiner, zurückhaltender, noch komplexer und doch greifbarer. Einen Film wie „Arrival“ zu beschreiben, ist schwer – man muss ihn einfach erlebt haben. Für mich gehört er zu den intensivsten Kinoerfahrungen, die ich nicht nur dieses Jahr sondern jemals machen durfte.

1

SMS für Dich

Karoline Herfurths Regiedebüt SMS FÜR DICH ist unglaublich viel in einem. Die von der ersten bis zur letzten Sekunde so wunderbar herzlich und lebensecht inszenierte Liebeskomödie ist nicht nur der erste deutsche Platz eins in der Geschichte meiner jährlich von mir veröffentlichten Lieblingsfilme. „SMS für Dich“ ist angesichts des platten Vorab-Marketings auch die Überraschung des Jahres, das beste Erstlingswerk, die kreativste Neuinterpretation und zeitgleiche Umkehrung bekannter Genregesetze, eine pfiffige Journalistenanektoden-Sammlung, ein bestechend-kesser Blick hinter die Kulissen der Schlagerbranche und die bezauberndste, echteste, mitreißendste Liebesgeschichte des Jahres. „SMS für Dich“ ist kein Film, den man einfach nur gern hat. Man schließt ihn vom ersten Augenblick an in sein Herz. Ihn – und all seine tollen Schauspieler, die diesen Film zu etwas so Besonderem machen, dass er aller Vorurteile zum Trotz meine ganz klare Nummer eins 2016 werden muss!

 

Damit schließe ich die „Akte Filmjahr 2016“ und freue mich auf die kommenden zwölf Monate, die hoffentlich ein genau so abwechslungsreiches Kinoprogramm für uns bereithalten!

6 Kommentare

  • Nach den Plätzen 3 und 7 (und dass Deadpool nirgends auftaucht) bin ich mir jetzt zumindest vollkommen sicher, dass wir nicht denselben Humor teilen. Etwas, das ich auch schon schmerzlich bei Herrn Björn Becher von Filmstarts lernen musste. Es ist immer gut, die Kompatibilität zu einer Kritikerin zu kennen.

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