Eine Geschichte von Liebe und Finsternis

Natalie Portman wendet sich mit ihrem Regiedebüt EINE GESCHICHTE VON LIEBE UND FINSTERNIS in Gänze von dem ab, womit sie als Schauspielerin bisher so erfolgreich war. Wie ihr der Ausflug ins Programmkino gelungen ist, verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Amos Oz (Amir Tessler), sein intellektueller Vater Arieh (Gilad Kahana), und seine verträumte, fantasievolle Mutter Fania (Natalie Portman) sind eine der vielen jüdischen Familien, die sich in den 1930er- und 1940er-Jahren vor der Verfolgung nach Palästina flüchten. Arieh hegt eine vorsichtige Hoffnung für die Zukunft. Doch Fania hat hohe Erwartungen an das gelobte Land. Auf den Schrecken des Krieges und die Flucht folgt jedoch die Ernüchterung des Alltags, und diese legt sich schwer auf Fanias Gemüt. Um sich selbst und ihren 10-jährigen Sohn Amos aufzuheitern, erfindet sie Geschichten von Abenteuern und Reisen durch die Wüste. Amos hört gebannt zu, wenn sie ihm vorliest, oder ihm von der Bedeutung von Wörtern und Sprache erzählt; so dass es sein Schreiben später immer prägen wird. Als die Unabhängigkeit Israels nicht die erhoffte Wiederbelebung ihrer Lebensgeister mit sich bringt, verliert sich Fania in Einsamkeit und Depression. Ohne ihr helfen zu können, muss Amos von seiner Mutter Abschied nehmen, bevor er dazu bereit ist. Während er die Geburt eines neuen Staates miterlebt, wagt auch er einen Neuanfang.

Kritik

Dass es Oscar-Gewinnerin (2011 für „Black Swan“) irgendwann einmal selbst auf den Regiestuhl ziehen würde, war abzusehen. Immerhin betonte die seit ihrem 13. Lebensjahr auf der Leinwand agierende Schauspielerin immer wieder, wie sehr es sie reizen würde, auch einmal hinter der Kamera die Fäden in der Hand zu halten. Erstmals ausprobieren konnte sie sich bei der Inszenierung einer Episode der beliebten Ensembleromanze „New York, I Love You“; genauso hatte es auch vor einigen Jahren Elizabeth Banks gehandhabt, die sich vor ihrem Erstlingswerk „Pitch Perfect 2“ erst einmal in der (leider furchtbaren) Kurzfilmsammlung „Movie 43“ ausprobieren konnte. Nicht selten folgen Regie führende Schauspieler dem Ruf dessen, womit sie vorab bereits Erfolg hatten. Als Nicolas Winding Refns männliche Muse lag es bei Ryan Gosling nahe, dass sein aller erster, von ihm selbst inszenierter Film eben auch aussehen würde, als hätte Refn selbst hier die Anweisungen gegeben. Und Deutschlands führende RomCom-Regisseure Schweiger und Schweighöfer waren bereits in diesem Segment erfolgreich, bevor sie es selbst an sich rissen. Natalie Portman liegt das fern. Ihr Debüt „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ ist die auf einem Roman basierende Aufbereitung eines für die geborene Israelitin sehr persönlichen Ereignisses.

Gemeinsam mit ihrer Familie hofft Fania auf die Unabhängigkeitserklärung Israels.

Gemeinsam mit ihrer Familie hofft Fania auf die Unabhängigkeitserklärung Israels.

Schon mit ihrer Entscheidung, „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ vollständig auf hebräisch zu drehen (die in den USA lebende Schauspielerin spricht die Sprache seit Kindheitstagen fließend), sagt sich Natalie Portman, deren Urgroßeltern einst ins KZ Auschwitz deportiert wurden und deren Großeltern wiederum von Europa nach Palästina einwanderten, von den Sehgewohnheiten des Durchschnittskinogängers los. Gleichwohl gewinnt ihr Drama dadurch unübersehbar an Profil und Authentizität. Die Romanverfilmung ist keine vom Kolorit der damaligen Zeit profitierende Gefühlsduselei, die eigentlich auch an jedem anderen beliebigen Ort spielen könnte. Portman verankert das Geschehen zu jeder Sekunde klar im Jerusalem um 1945 und verhilft ihrem Film dadurch zu historischer Wertigkeit. Untermauert von der detailgetreuen Ausstattung und dem Setting, bringt uns „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ die Ängste und Anspannung der damaligen Zeit näher, findet in manchen Momenten aber auch die Gelegenheit, durch die Kinderaugen von Amos eine naive Schönheit in der Tristesse zu entdecken. Für die symbolisch ohnehin stark aufgeladenen Bilder ist das nur zuträglich, um das einheitliche Grau-in-Grau hier und da zu durchbrechen („Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ ist trotz seiner Simplizität einfach ein verdammt schöner Film). Doch erzählerisch gelingt es Portman nicht, diese Schwermut auch nur für eine Sekunde abzulegen.

Man könnte sich zwar durchaus 95 Minuten lang an der visuell zweifelsfrei berauschenden Bildsprache ergötzen, doch wird das spätestens dann anstrengend, wenn man erkennt, dass sich „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ mit der Zeit immer mehr in einer fast schon mitleiderregenden Traurigkeit verliert. Dass sich diese dramaturgische Konzentration in den letzten zwanzig Minuten als absolut gerechtfertigt auflöst und rückblickend viele Szene eine Faszination entfalten, die aufgrund von mangelndem Zuschauerwissen zum Zeitpunkt ihres Auftritts noch überhaupt nicht gegeben sein kann, kann das erzählerische Ruder zwar rumreißen; immerhin wissen wir zum Ende des Films, weshalb es all die das Geschehen noch niederschmetternder machenden Momente zusätzlich zur ohnehin vorherrschenden Tristesse in den Film geschafft haben. Bis Portman diesen Twist aus dem Ärmel zieht, muss sich das Publikum aber erst einmal dorthin gekämpft haben. „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ macht seinem Namen hier alle Ehre: Wenngleich die Finsternis vorherrscht, versucht die Neu-Regisseurin fast schon spielerisch, die Liebe zwischen ihr und ihrem Filmsohn so in das Drama zu integrieren, dass die Fallhöhe von Familienzusammenhalt zu emotionaler Gefangenschaft umso größer wird. Das macht das Geschehen aber nicht aufregender, sondern allenfalls noch tragischer.

Amir Tessler spielt Amos, den wissbegierigen Sohn von Fania.

Amir Tessler spielt Amos, den wissbegierigen Sohn von Fania.

Die Idee, Natalie Portman sich selbst inszenieren zu lassen, erweist sich in „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ als absoluter Glücksgriff. Die ohnehin sehr zierliche Schauspielerin besitzt eine Sanftheit, die sie wie fehlplatziert in der kalten Welt erscheinen lässt, womit sie den Nagel dieser Nachzeichnung einer Depression auf den Kopf trifft. Portman spricht in dem Drama nicht viel. Stattdessen nutzt sie ihre Figur als stille Beobachterin, die das Leid der Welt nicht länger mit ansehen kann. „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ ist ein starker, in seiner wunderschönen Bebilderung fast schon poetischer Film über das Thema Traurigkeit. Aber es fehlt ihm zugleich auch ein Ausgleich. Das muss nicht automatisch bedeuten, komödiantische Elemente zu integrieren. Doch erst mit dem Abschluss des Films zu erfahren, dass das Kernthema der Geschichte überhaupt Traurigkeit ist, macht es dem Zuschauer lange Zeit schwer, die Faszination dahinter überhaupt zu erkennen. Es sei Niemandem zu verübeln, der bis zur alles entscheidenden Aufklärung überhaupt kein Interesse mehr daran hat, zu erfahren, weshalb hier wirklich alles so wahnsinnig schwermütig geraten ist.

Fazit: Erst auf der Zielgeraden von „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ erkennt man, dass die zuvor so überdominante Düsternis ihren Sinn hat. Bis dahin übertreibt es Regiedebütantin Natalie Portman allerdings stark mit ihrer Schwermut. Ihr Film legt sich wie Blei auf das Gemüt der Zuschauer.

„Eine Geschichte von Liebe und Finsternis ist ab dem 3. November in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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