Kubo – Der tapfere Samurai

So einen richtigen Fehltritt hat sich die LAIKA-Filmschmiede bislang nicht geleistet. Da wundert es wenig, dass auch der neueste Streich der Stop-Motion-Experten zu einem herausragend magischen Abenteuer gerät. Was KUBO – DER TAPFERE SAMURAI so besonders macht, verrate ich in meiner Kritik.Kubo - Der tapfere Samurai

Der Plot

Japan, weit vor unsere Zeit: Der junge, gutherzige Junge Kubo lebt in einer Stadt am Meer und kümmert sich um seine Mutter, seit sein Vater verstorben ist. Er lebt ein bescheidenes Dasein als Geschichtenerzähler, zu dessen Zuhörern auch Hosato, Akihiro und Kameyo gehören. Doch Kubos recht ruhige Existenz zerbricht mit einem Schlag, als er versehentlich einen Geist aus seiner Vergangenheit beschwört und dieser voller Zorn auf die Erde hinab stürmt, um eine uralte Blutrache zu vollstrecken. Nun bricht das große Chaos aus, Kubo muss flüchten und ist auf die Hilfe seiner neuen Gefährten angewiesen: Monkey und Beetle. Mit ihnen begibt er sich unerschrocken auf eine gefahrvolle Abenteuerfahrt, um seine Familie zu retten und das Rätsel um seinen gefallenen Vater, einst ein legendärer Samurai-Krieger, zu entwirren.

Kritik

Die LAIKA-Studios genießen unter Liebhabern von Animationsfilmen einen hervorragenden Ruf. Und das, wo es sich bei den Stop-Motion-Experten ja eigentlich gar nicht so wirklich um „richtige Animationsfilme“ handelt. Die Filme dieser Schmiede entstehen alle in einem jahrelangen Prozess. Die Figuren und ausgewählte Teile des 3D-Settings werden in mühevoller Kleinarbeit von Hand angefertigt und anschließend minimal bewegt, um vor dem unbewegten Hintergrund die Illusion einer Bewegung zu erzeugen. Die berühmtesten Beispiele für erfolgreiche, nach diesem Prinzip gedrehte Filme stellte in letzter Zeit wohl der Spielfilm zu „Shaun das Schaf“ dar, aber auch „Wallace und Gromit“, „Frankenweenie“ oder Wes Andersons „Der fantastische Mr. Fox“ gehören in diese ausgewählte Gruppe von Stop-Motion-Filmen. Doch LAIKA-Animations hat sich nicht bloß vollständig auf diese ganz besondere Filmkunst spezialisiert, sondern hebt sich obendrein auch noch von artverwandten Produktionsschmieden wie „Disney“, „Pixar“ und Co. ab, weil sich ihre Filme vornehmlich an ein älteres Publikum richten. „Coraline“ und „ParaNorman“ bedienten in den Jahren ihrer Veröffentlichung eine echte Marktlücke, bevor LAIKA 2014 mit „Boxtrolls“ den ersten Film weit unterhalb ihres ansonsten so herausragenden Niveaus herausbrachte. Von der Reife, der Melancholie und der Düsternis der vorausgegangenen Filme war in „Boxtrolls“ nichts mehr zu spüren. Genug Zeit, um Luft zu holen und mit „Kubo – Der tapfere Samurai“ nun zu erneuter Höchstform aufzulaufen. Mehr noch: Die sich ein weiteres Mal eher an ein älteres Publikum richtende Geschichte um einen kleinen Jungen, der mithilfe seiner Freunde einen uralten Fluch brechen muss, um seine Haut und im besten Fall auch seine Familie zu retten, stellt den bisherigen Höhepunkt der LAIKA-Filmschmiede dar, die sich über einen Mangel an Höhepunkten ja eigentlich ohnehin nicht beschweren darf.

Kubo begibt sich mit seinen Beschützern Monkey und Beetle auf eine gefährliche Reise

Kubo begibt sich mit seinen Beschützern Monkey und Beetle auf eine gefährliche Reise.

Mit seinen im wahrsten Sinne des Wortes fantastischen Bildern und der zum japanischen Setting passenden Musik macht „Kubo – Der tapfere Samurai“ aus technischer Sicht von der aller ersten Sekunde eine solch starke Figur, dass es erlaubt sein sollte, im Laufe dieser Review das eine oder andere Superlativ anzuwenden. Dabei macht sich Filmemacher Travis Knight, der bereits an den bisherigen LAIKA-Produktionen mitwirkte und mit „Kubo“ nun sein Debüt als Regisseur feiert, das asiatische Setting hervorragend zunutze, um die Geschichte mit der Mystik derartiger Gefilde zu umhüllen. Ein Teil der Geschichte lässt sich dann auch direkt in Japan verorten (mitunter geraten Kubo und seine Freunde an Orte, die man fast meint, bereits in Filmen wie „Kill Bill“ schon einmal gesehen zu haben), gleichwohl bedienen sich die Macher nie zu aufdringlich an Sitten und Gebräuchen der Region. „Kubo“ lässt zu jedem Zeitpunkt seine Wurzeln erkennen, ist aber sowohl inhaltlich als auch inszenatorisch auf die weite Welt übertragbar. Dadurch entwickelt die zwischen Abenteuer und Drama anzusiedelnde Produktion einen zeitlosen, vor allem aber erwachsenen und bisweilen erstaunlich düsteren Charme; mit seiner FSK-Freigabe ab sechs Jahren hat der zugehörige Verleih Universal Pictures hierzulande tatsächlich mal Glück gehabt. So wird es zwar nicht besonders explizit (mit der Ausnahme, dass offensichtlich aus Papier gefaltete Figuren brutal niedergemeuchelt werden), aber schon das Design der Antagonistinnen, einhergehend mit dem bedrohlichen Auftreten könnte auch aus einem Schauerfilm der Hammer Studios stammen.

Die Faszination des Looks entwickelt sich in erster Linie aus der herausragenden Ergänzung ebenjener Stop-Motion-Technik mit aus dem Computer stammenden CGI-Elementen. In „Kubo – Der tapfere Samurai“ verschmelzen diese beiden ganz unterschiedlichen Animationsstile zu einer faszinierenden Fantasiewelt, in der Sagen und Märchen der japanischen Tradition ebenso eine Rolle spielen, wie ganz bodenständige Alltagsdramen. Schon eine der Auftaktszenen zeigt Kubo, der sich selbstlos um seine augenscheinlich depressive Mutter kümmert, sie füttert und aufzuheitern versucht. Noch bevor das Drehbuch von Marc Haimes („Johnny Frank Garrett’s Last Word“) und Chris Butler („ParaNorman“) überhaupt dazu kommt, übernatürliche Elemente in seine Geschichte einfließen zu lassen, entwickelt sich die Faszination für die Figuren durch eine tiefe Menschlichkeit; und durch die gewitzte Idee, die Eröffnungsszene mit einem sehr treffenden Off-Kommentar begleiten zu lassen („Wenn Ihr blinzeln müsst, dann tut das jetzt!“). Erst später offenbart sich, dass die Welt der Magie in „Kubo“ einen besonderen Stellenwert einnimmt. Gleichzeitig verkommt ebenjene nie zum Selbstzweck. Der Clash aus asiatischem Märchen, frohmütigem Abenteuerfilm und menschlichem Drama, findet seine Antriebskraft durch ebenjene Ergänzung sämtlicher Inszenierungs-, Genre-, und emotionaler Einflüsse.

Kubo ahnt nicht, was es mit seinem Beschützer Monkey auf sich hat…

Wer nun aber glaubt, „Kubo“ würde ausschließlich über seine tiefgreifende Emotionalität funktionieren, der irrt gewaltig. Auch auf der Ebene des Abenteuers besitzt der Film einen tollen Drive, der wiederum die jüngeren Zuschauer abholen dürfte. Die Figurenkonstellation aus Kubo, Monkey und Beetle bietet viele Möglichkeiten für Situationskomik, die an der einen Stelle einen Teil der Dramatik fast im Keim erstickt, die aber andererseits die ohnehin recht getragene Atmosphäre auflockern kann. Ohne auf prominente Namen zurückzugreifen, erweckt der Cast aus Synchronsprechern die Figuren zum Leben, unterstreicht in den traurigen Momenten die Dramatik und schafft es in den komischen Szenen, nie zu albern zu werden. „Kubo – Der tapfere Samurai“ hält nicht bloß gefällig die Waage zwischen den emotionalen Hochs und Tiefs, sondern traut sich auch, Konsequenzen zu ziehen. Dank seiner unberechenbaren Atmosphäre wirkt die Geschichte gerade im Schlussakt nach, greift Themen wie Trauerbewältigung und den Sinn und Zweck von Lebenszielen auf, die „Kubo“ zu einem stolzen, mit großer Tragweite ausgestatteten Film machen. Mit so viel Mut, eine multidimensionale und hin und wieder sogar unbequeme Geschichte zu erzählen, einhergehend mit dem über allem stehenden Look weist LAIKA zumindest in diesem Jahr auch immer währende Konkurrenz aus dem Hause Pixar in die Schranken. Seit „Alles steht Kopf“ hat sich kein animierter Film mehr so intensiv an tiefschürfende menschliche Dramen gewagt.

Fazit: Mit „Kubo – Der tapfere Samurai“ legt das Studio von „Coraline“ und „ParaNorman“ seine bislang stärkste Arbeit vor. Die melancholische Abenteuergeschichte um einen kleinen Jungen auf der Suche nach sich selbst ist ein allumfassend berauschendes, erzählerisch wie visuell formidabel inszeniertes Stop-Motion-Meisterwerk ab, bei dem nicht nur die spektakulären 3D-Bildgewalten nachträglich hängen bleiben.

„Kubo – Der tapfere Samurai“ ist ab sofort in den deutschen Kinos zu sehen – auch in tollem 3D!

Ein Kommentar

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