Snowden

Die Hintergründe um die SNOWDEN-Affäre aufzuklären, unternahm bereits vor zwei Jahren die preisgekrönte Dokumentation „Citizenfour“, die prompt mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Nun liefert Hollywood-Provokateur Oliver Stone das Spielfilm-Pendant zu einem der größten Skandale jüngerer Hollywood-Geschichte. Wie das geworden ist, verrate ich in meiner Kritik.Snowden

Der Plot

Als Edward Snowden (Joseph Gordon-Levitt) im Jahr 2013 seinen Job bei der NSA hinter sich lässt und nach Hongkong fliegt, tut er das stillschweigend, ohne dass NSA-Mitarbeiter oder seine langjährige Freundin Lindsay Mills (Shailene Woodley) davon etwas ahnen. In Hongkong will er sich mit den Journalisten Glenn Greenwald (Zachary Quinto) und Ewen MacAskill (Tom Wilkinson) sowie der amerikanischen Dokumentarfilmerin Laura Poitras (Melissa Leo) treffen, um Informationen über weltweite und in tiefste Privatbereiche vordringende Überwachungsprogramme der US-Regierungzu enthüllen. Der herausragende Programmierer und Berater für IT-Sicherheit hatte entdeckt, dass amerikanische Regierungsbehörden eine Unmenge an Daten gesammelt hatten und dafür jede nur erdenkliche Form digitaler Kommunikation überwacht und aufgezeichnet worden war. Belauscht wurden dabei nicht nur ausländische Regierungen und Terrorgruppen, sondern auch ganz normale amerikanische Bürger.

Kritik

Provokant und politisch: Für Hollywood-Regisseur Oliver Stone kommt im besten Falle beides zusammen. Ob er in „JFK“ oder „Nixon“ verheilte Wunden wieder aufreißt, oder sich, wie in seinem wohl bekanntesten Werk „Natural Born Killers“, an den aktuellen Missständen der Gesellschaft labt: Der ehemalige Vietnamkriegsveteran Stone will mit seinem Stoff anecken. Insofern wundert es auch nicht, dass der erste großbudgetierte Kinofilm über den Whistleblower Edward Snowden von ihm kommt. Was hingegen vielmehr überrascht, ist die Art und Weise, wie Stone ihn in seinem simpel betitelten Biopic-Thriller „Snowden“ porträtiert. Die mehrdimensionale Auseinandersetzung mit der Überwachungsthematik scheut der 70-jährige New Yorker. Vermutlich, weil er Niemandem mehr zu erklären braucht, wie groß die Bedrohung weltweiter High-Tech-Überwachung ist, die von der US-amerikanischen Regierung unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung betrieben wird. Er konzentriert sich ganz auf die Seite der Guten. Doch der Edward Snowden von Oliver Stone ist dabei so vollkommen frei von Ecken und Kanten, dass „Snowden“ ein inszenatorisch noch einseitigeres Unterfangen wird, als er es ohnehin schon ist. Selbst aus der Geschichte um den guten Patriot gegen die US-amerikanischen Großmächte (bester David-gegen-Goliath-Stoff also) weißt Oliver Stone erstaunlich wenig herauszuholen. So wird „Snowden“ ziemlich zügig zu einem Liebesfilm vor paranoidem Hintergrund.

Snowden

Schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate schlüpft Joseph Gordon-Levitt in die Haut einer tatsächlich existierenden Figur. Nach seiner spielend-leichten Verkörperung des Balance-Künstlers Philippe Petit in „The Walk“, mimt er nun die gleichnamige Hauptrolle in „Snowden“. Seine von Insidern jetzt schon zu den großen Hoffnungsträgern kommender Filmpreisverleihungen gezählte Performance offenbart tatsächlich ein hohes Maß an Beobachtungsgabe; nicht nur optisch hat man den Schauspieler an das reale Vorbild Edward Snowden angepasst (ein im Epilog stattfindender, fließender Übergang vom Antlitz Gordon-Levitts hin zum echten Snowden unterstreicht die Ähnlichkeit beider Person noch einmal enorm!), auch den subtilen Gestus des Whistleblowers hat sich der „Looper“-Star angeeignet. „Snowden“ profitiert merklich von diesem Besetzungscoup. Zu keinem Zeitpunkt stellt sich einem die Frage, dass man es hier tatsächlich mit der Figur des Edward Snowden zu tun hat. Mimik, Gesten und Sprachgewohnheiten gehen Joseph Gordon-Levitt in Fleisch und Blut über. Tiefschürfende Charaktermomente bekommt der Spielfilm-Edward-Snowden allerdings nicht verpasst. Die Figur wird durch seine zunehmend immer paranoiden Handlungen geformt, doch seine Leistung unterliegt klar dem Skript, das falsche Schwerpunkte setzt. Wenn Edward etwa einen epileptischen Anfall bekommt, ist das für den weiteren Verlauf der Handlung nur marginal von Bedeutung, wohingegen die ständigen Auseinandersetzungen mit seiner Freundin Lindsay (Shailene Woodley) das Skript verwässern, indem sie viel zu viel Platz einnehmen.

Tatsächlich scheint es, als hätten die beiden Drehbuchautoren Oliver Stone und Kieran Fitzgerald („The Homesman“) unabhängig voneinander an „Snowden“ gearbeitet. Beginnt der Film zunächst noch aus einer spannenden Perspektive – wir können im Grunde live dabei zusehen, wie das Treffen aus dem in „Citizenfour“ verwendeten Filmmaterial zustande kam –, springen die Macher im Fortverlauf immer häufiger hin und her. Den Werdegang Edward Snowdens handelt das Drehbuch rasch ab, verzichtet nicht einmal auf eine klischeehafte Szene, in welcher Snowden Hackerfähigkeiten eines Wunderkindes angedichtet werden. Anschließend konzentrieren sich die Macher ganz auf die Entwicklung der Liebesbeziehung zwischen Edward und Lindsay. Dies geht soweit, dass die eigentlich deutlich relevanteren Momente rund um Edward Snowdens Entdeckung in einer Leichtfertigkeit abgehandelt werden, dass der Skandal an Bedeutung verliert. Die Performance von Shailene Woodley („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“) hat obendrein nicht das Format, um die Lovestory aufzuwerten. Die naiven Liebeleien mit Edward Snowden sind lediglich punktuell intensiv; etwa, wenn er sie über seine geplante Flucht in Kenntnis setzen muss.

Snowden

Um den Bezug zur Gegenwart greifbar zu machen, ist Oliver Stone nicht verlegen darum, möglichst plakative Bilder sprechen zu lassen. Von der heimlich mitfilmenden Webcam am Laptop über die an mehreren Beispielen veranschaulichten Gefahren der Social-Media-Vernetzung bis hin zur Verwendung einfachster Abhörtechnik drückt der Regisseur seinem Film einen verallgemeinernden Stempel auf. Dass all diese Gefahren existieren, ist nicht zu leugnen. Auch mit dem Bezug auf die Figur Edward Snowden war von einer derartigen Ballung solcher Motive auszugehen. Doch spätestens, wenn der von Rhys Ifans („Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“) gespielte CIA-Agent Corbin O’Brien in Form eines überdimensionalen Hologramms Drohungen gegen Snowden ausspricht, übertreibt es Oliver Stone mit seinem paranoiden Vorschlaghammer. In kleinen Details funktioniert das allgegenwertige Gefühl der Überwachung viel besser: Wenn sich Edward Snowden für seine Passwort-Eingabe am Laptop unter einer Decke versteckt, ist die hier an den Tag gelegte Selbstverständlichkeit deutlich vielsagender, als die stete „Wir werden alle überwacht!“-Beschallung. Insofern ist Oliver Stone für die Regieführung in „Snowden“ vielleicht doch nicht die beste Wahl gewesen. Stone mag zwar laut sein und inbrünstig für seine politischen Vorstellungen einstehen, doch „Citizenfour“ war ja vor allem deshalb so stark, weil die Macher die Figur des Edward Snowden für sich sprechen ließen. Das permanente Unterstreichen der von ihm entlarvten Missstände, hatte es in der Dokumentation gar nicht gebraucht.

Fazit: „Snowden“ ist zweifelsohne ein wichtiger Film, der abseits der herausragenden Schauspielleistungen Joseph Gordon-Levitts seiner Bedeutung qualitativ nicht gerecht wird. Oliver Stone inszeniert die Geschichte um den Whistleblower Edward Snowden als weitestgehend austauschbare Liebesgeschichte, deren Seichtheit der ernsten Überwachungsthematik immer wieder im Wege steht.

„Snowden“ ist ab dem 22. September in den deutschen Kinos zu sehen.

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