Willkommen im Hotel Mama

Die Franzosen sehnen sich derzeit nach seichter Feelgood-Unterhaltung. Verdenken kann man es ihnen angesichts des aktuellen Weltgeschehens nicht. Trotzdem gehört WILLKOMMEN IM HOTEL MAMA zu jenen Vertretern der französischen (Tragik-)Komödie, den man selbst dann nicht sehen muss, wenn man einfach nur Abschalten möchte. Warum, das erkläre ich in meiner Kritik.Willkommen+im+Hotel+Mama

Der Plot

Die temperamentvolle Jacqueline Mazerin (Josiane Balasko) genießt ihr komfortables Leben als Witwe im Ruhestand in einer beschaulichen Stadt in der Provence. Seit vielen Jahren führt die dreifache Mutter eine glückliche Liebesbeziehung mit ihrem Nachbarn Jean (Didier Flamand), die sie bisher jedoch tunlichst vor ihren Kindern geheim gehalten hat. Als ihre 40-jährige Tochter Stéphanie (Alexandra Lamy) von heute auf morgen Job und Wohnung verliert, nimmt sie Stéphanie natürlich wieder bei sich auf. Allerdings wirbelt das liebe Töchterlein nicht nur gehörig ihren sonst so ruhigen Alltag durcheinander, sondern sie macht es Jacqueline auch noch extrem schwierig, sich weiterhin unbemerkt mit ihrem Liebhaber zu treffen. Da ist reichlich Einfallsreichtum gefragt, um den unangenehmen Fragen ihrer Tochter aus dem Weg zu gehen, aber dennoch kann sie nicht verhindern, dass es durch ihre nächtlichen Eskapaden für wilde Spekulationen und so manch komische Verwechslung sorgen. Als Jacqueline dann auch noch beschließt, Jean und ihre Kinder bei einem äußerst turbulenten Abendessen endlich miteinander bekannt zu machen, ist das Familienchaos perfekt.

Kritik

Zu Beginn von „Willkommen im Hotel Mama“ gibt es eine Szene in einem Jobcenter. Die seit einiger Zeit arbeitslos gemeldete Immobilienmaklerin Stéphanie kann sich nicht so recht mit dem Gedanken anfreunden, nach Schulausbildung, Studium und dem Aufbau einer eigenen Firma von jetzt auf gleich auf Inline-Skates durch die Provence zu fahren und Prospekte zu verteilen. Eine absolut nachvollziehbare Reaktion; erst recht bei dem von ihr vorab heruntergebetenen Lebenslauf. Um der 40-jährigen den Ernst der Lage zu verdeutlichen, wirft der sie betreuende Mitarbeiter kurzerhand sämtliche beschwichtigenden Floskeln über Bord und redet Klartext. Nicht mit dem Ziel, Stéphanie bloßzustellen, sondern einzig und allein, um ihr zu helfen. Die toughe Geschäftsfrau scheint damit jedoch alles andere als zufrieden und nutzt die nächste Gelegenheit, einen schief gehenden Flirt zwischen dem Mitarbeiter und einer Mitarbeiterin, um jenen vor versammelter Mannschaft zu beleidigen. Es ist kindisches Verhalten, das der französische Regisseur und Drehbuchautor Eric Lavaine („Bienvenue à bord“) hier nutzt, um eine plumpe Pointe zu generieren, dabei aber nicht mitbekommt, wie drastisch er dabei seine eigene Hauptfigur verrät. Lässt sich eine gewisse Reizbarkeit von Seiten Stéphanies angesichts der prekären Lebenssituation noch nachvollziehen, ist die Szenerie im Arbeitsamt bloß der Auftakt einer ganzen Reihe weiterer Szenen, die beim Zuschauer vor allem eines hervorruft: einen Fluchtreflex. Und nicht nur Stéphanies abgehoben-unsympathische Attitüde formt den Film zu einer Nabelschau des Menschen negativster Marotten, auch der Rest der großen Mazerin-Familie ist nicht etwa liebenswert-spleenig, sondern in erster Linie schrecklich nervig.

Willkommen im Hotel Mama

Als immerhin noch halbwegs charismatisch erweist sich Oberhaupt Jacqueline, doch auch ihr Verhalten entbehrt jeder Realität, wenn sie unter allen Umständen ihren neuen Lebenspartner vor ihren erwachsenen (!) Kindern geheim zu halten versucht. Sicher: Ohne diese Prämisse gäbe es „Willkommen im Hotel Mama“ gar nicht, doch es scheint sich längst etabliert zu haben, Filmhandlungen einzig und allein darüber am Laufen zu halten, indem man die adulten Hauptfiguren fernab jedweder Nachvollziehbarkeit handeln lässt. Filme wie „Ich seh Ich seh“, „Höhere Gewalt“ oder auch „Julieta“ wären nach zehn Minuten vorbei, würden die Erwachsenen auch nur für eine Sekunde ihr eigenes Verhalten hinterfragen und dann zu dem Schluss kommen, dass die von ihnen selbst zum Problem gemacht Problematik gar keine ist. Exakt so verhält es sich nun auch in „Willkommen im Hotel Mama“; wie einfach wäre es von Seiten Jacquelines, sich kurz darauf zu besinnen, dass ihre Schützlinge möglicherweise ebenso reif sind, wie sie und sie es entsprechend unterstützen würden, dass ihre Mutter in ihren späten Jahren das Glück hat, noch einmal einen liebenswerten Partner zu finden? Das übervorsichtige Gebären Jacquelines mit Unsicherheit zu erklären, deutet das Skript indes nur am Rande an. In erster Linie nutzt Eric Lavaine die Prämisse nämlich als Gag-Generator, der „Willkommen im Hotel Mama“ zu einem ebenso altbackenen wie albernen Lustspiel verkommen lässt. So handeln die Figuren im Sinne der Handlung und die Story entwickelt sich nicht anhand ihrer Figuren. Die Folge: Nach zehn Minuten weiß der Zuschauer, in welch bequeme Bahnen sich der Film schlussendlich entwickeln wird. Kann das im Sinne des Publikums sein?

Eine interessante Idee hat Eric Lavaine zwar tatsächlich in petto – aufgrund des merkwürdigen Verhaltens ihrer Mutter glauben Stéphanie und ihre Geschwister an eine langsam voran schreitende Alzheimer-Erkrankung – doch mehr als zwei bis drei Sätze darüber spendiert das Skript auch diesem Ansatz nicht. Darüber hinaus nutzt der Regisseur sämtliche Thematiken abseits der harmlosen Blödelei lediglich als Alibi, um Substanz vorzutäuschen, wo aufgrund der seicht dahinplätschernden Inszenierung keine entstehen kann. Weder der zu Beginn des Filmes angedeutete Zwist zwischen Mutter und Tochter, der aufgrund der unterschiedlichen Lebensvorstellungen zwangsläufig entstehen muss, wird zu Ende gedacht, noch setzt sich Stéphanies humorbefreite Schwester Carole (Mathilde Seigner) nach einer ernsten Konfrontation mit ihrer Schwester tatsächlich damit auseinander, dass ihre unsoziale Art nicht nur einzelne Familienmitglieder, sondern auch ihren Ehemann nach und nach vergrault. Gen Ende hin scheint es Lavaine dann sowieso vollständig egal zu sein, ob seine Figuren in irgendeiner Art und Weise nachvollziehbar handeln. Um auf Biegen und Brechen ein zuckersüßes Finale zu erreichen, wirft er jedweden erzählerischen Anspruch über Bord und vergisst rückblickend, worin er zumindest im Ansatz Konfliktpotenzial zwischen einzelnen Figuren sah. Immerhin sollen sich mit dem Einsetzen des Abspannes dann ja auch wieder alle so lieb haben, wie es selbst einer TV-Schmonzette zu schmalzig wäre.

Willkommen im Hotel Mama

Apropos Fernsehen: Sowohl technisch als auch darstellerisch hat „Willkommen im Hotel Mama“ nichts vorzuweisen, womit sich eine Auswertung auf der großen Leinwand rechtfertigen ließe. Sowohl die Kulisse selbst, die sich zu weiten Teilen auf die vier Wände Jacquelines beschränkt, als auch das Können der Schauspieler zeugt von einem Minimum an Einfallsreichtum. Durch solch einseitige Darbietungen wie jener von Alexandra Lamy („Plötzlich wieder jung – Zurück in die Achtziger“) in der Rolle der dauergereizten Stéphanie lässt es der Film nicht zu, sich für tiefere Beweggründe für ihr offenkundig unsympathisches Handeln zu interessieren. Die Figuren bleiben derart einseitig und passend dazu ohne Elan gespielt, dass man das auf den ersten Blick fehlende Charisma der Charaktere akzeptieren muss; eine Art Gegenbeweis, dass all die Figuren in Wirklichkeit doch ganz okay sind, liefert „Willkommen im Hotel Mama“ ebenso wenig, wie zu Ende geführte Gedankengänge ob Stéphanies Probleme als alleinerziehende Mutter (es bleibt bei einem bösen Blick, den man ihr auf dem Schulhof zuwirft, als sie vor ihrem Sohn flucht). Und so bleibt „Willkommen im Hotel Mama“ schlussendlich die Beobachtung einer ganz und gar anstrengenden Familie, der man gar nicht unbedingt die Daumen drückt, dass sich hier letztlich doch alle zusammenraufen.

Fazit: „Willkommen im Hotel Mama“ ist eine Aneinanderreihung von albernen Einzelszenen, die im Kontext – eine anstrengende Familie ist zu blöd, sich an einen Tisch zu setzen und einfach mal miteinander zu reden – nicht etwa amüsant, sondern anstrengend wirken.

„Willkommen im Hotel Mama“ ist ab dem 11. August in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

3 Kommentare

  • Was die Qualität des Films angeht, kann ich ohne ihn gesehen zu haben natürlich nichts sagen. Worin ich dir aber gerne widersprechen möchte, wären folgende Absätze:

    „…wären nach zehn Minuten vorbei, würden die Erwachsenen auch nur für eine Sekunde ihr eigenes Verhalten hinterfragen und dann zu dem Schluss kommen, dass die von ihnen selbst zum Problem gemacht Problematik gar keine ist.“

    „…eine anstrengende Familie ist zu blöd, sich an einen Tisch zu setzen und einfach mal miteinander zu reden…“

    Ich hoffe natürlich für dich, dass dir und deiner Familie solche Situationen so fremd und lebensfern sind, dass du damit im Film nichts anfangen kannst. Im Ernst, das finde ich beneidenswert. Meiner Erfahrung nach ist das aber (vielleicht in abgeschwächter Form) in vielen Fällen die Realität. Ich kenne einige Menschen, die nicht wissen was ihr Partner genau beruflich macht. Erwachsene Kinder, die nicht wissen was ihre Eltern so treiben. Freunde, deren Eltern nicht wissen dürfen, dass sie beispielsweise in psychischer Behandlung sind. In vielen Familien ist es leider so, dass (aus welchen Gründen auch immer) keine Vertrauensbasis da ist und die Beteiligten nicht miteinander reden wollen oder können. Das ist zwar schade, meiner Meinung nach aber vielleicht nicht die Norm, aber zumindest ein häufig anzutreffendes Phänomen. Von daher halte ich die Handlung des Films auf dem Papier jetzt erst mal für nicht sonderlich unglaubwürdig.

    • Lieben Dank für deinen interessanten Kommentar. Ich erkenne, wo Du da eine gegenteilige Meinung hast (der ich auch gar nicht widersprechen möchte), in den von mir aufgezählten Fällen ist diese Art des Konflikts allerdings der einzige Faktor, der die Story aufrecht erhält und da machen es sich die Autoren (und Regisseure) ein wenig zu einfach. Ich bemängele, dass aus der Handlung nicht deutlich wird, weshalb die Mutter so handelt, nicht, dass sie so handelt, wie sie handelt. Würde sich der Autor Mühe geben, dem Zuschauer aufzuzeigen: An dieser Stelle ist aus diesem oder jenem Grund kein Vertrauensverhältnis gegeben, wäre das etwas völlig anderes. Aber so knallt man mir als Zuschauer die Prämisse hin: „Die Figuren reden nicht miteinander, obwohl sie sie sonst ganz normal gebären.“ Und das ist meiner Ansicht nach faul. Es fehlt das darum aufgebaute Konstrukt, das mich als Zuschauer die Taten, Handlungen und Gedanken nachvollziehen lässt. Alles bleibt Behauptung. Und das ist der Schwachpunkt an dem Skript.

      Liebe Grüße

      • Stimmt, das kann man faul nennen. Auf der anderen Seite würde der Film wohl eher in die Richtung „Drama“ gehen und seine humorvolle Leichtigkeit verlieren. Wobei ich natürlich nicht weiß, ob diese überhaupt vorhanden ist 😀

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