Maggies Plan

In der kreativen Tragikomödie MAGGIES PLAN ist die charismatische Greta Gerwig einmal ganz ohne Zutun ihres Gatten Noah Baumbach in der Hauptrolle einer Indie-Produktion zu sehen. Dass man die Geschichte um eine Frau, die Pläne schmiedet, ohne dass ihr Leben das interessieren würde, trotzdem auch als Baumbach-, oder Allen-Produktion durchgehen würde, ist kein Makel. Mehr dazu in meiner Kritik.
Maggies Plan

Der Plot

Maggie (Greta Gerwig) hat einen Plan: Sie wünscht sich ein Kind – einen Vater sieht der Lebensentwurf der mittdreißiger New Yorkerin dabei jedoch nicht vor. Ein geeigneter Samenspender ist schnell gefunden, doch kurz bevor Maggie ihren Plan in die Tat umsetzen kann, steht der Literaturprofessor John (Ethan Hawke) vor der Tür. Der ist enttäuscht von seiner eingefahrenen Ehe mit der dominanten Georgette (Julianne Moore) und von Maggie hin und weg. Mit ihr wäre John bereit, einen Neuanfang zu wagen. Doch das wirbelt Maggies Lebenspläne gehörig durcheinander…

Kritik

Wenn man einmal einen kurzen Moment die innere Struktur und Dramaturgie von Rebecca Millers Komödie „Maggies Plan“ betrachtet, fällt auf: Im Grunde blickt die Regisseurin und Autorin von Filmen wie „Pippa Lee“ nur auf das, was passiert, wenn das Happy End einer typischen Filmromanze längst vorbei ist. Diesen Versuch hat vor einigen Jahren auch schon Dan Mazer mit seiner Romantic Comedy „Das hält kein Jahr..!“ unternommen; der Prolog seiner derb-süßen Geschichte eines Pärchens, das während der (viel zu frühen) Ehe plötzlich merkt, eigentlich gar nicht richtig zueinander zu passen, erzählt vom Scheitern einer Liebe und davon, was passiert, wenn man sich von Hollywood-Romantik blenden lässt, ohne die Realität dabei zu hinterfragen. So auch hier. Wenngleich sich „Maggies Plan“ durchaus in zwei Teile teilen lässt, wovon der erste eine Problematik etabliert, die in der zweiten in Form von aktiver Schadensbegrenzung rückgängig gemacht werden soll, sind sich die beiden Filme in Aussage, Sarkasmus und fehlender Liebesverklärung doch recht ähnlich. Auch Parallelen zu den pessimistisch-schwarzhumorigen Werken eines Woody Allen oder Noah Baumbach sind nicht zu leugnen. Dass das alles so gut zusammenpasst, verdankt das Projekt seiner Regisseurin, die für ihre Arbeit nicht bloß für einen Award beim Edinburgh International Film Festival nominiert wurde, sondern ihre hintersinnig inszenierte und herausragend gespielte Komödie obendrein auch davor bewahrt, trotz hoher Themenvielfalt in ihre Einzelteile zu zerfallen.

Maggies Plan

Wenn die Hauptfigur Maggie nach rund zwei Dritteln des Films die Aussage von sich gibt, ihr Schicksal ungern dem Schicksal überlassen zu wollen, ist dies mitnichten der darauf folgenden, nur allzu simplen Message geschuldet, dass man es nun mal so nehmen muss, wie es kommt. Die von Greta Gerwig (aktuell auch in Todd Solondz‘ „Wiener Dog“ zu sehen) zwischen kindlich-naiv und hoffnungslos idealistisch verkörperte Protagonistin ist alles andere als ein weltfremder Kontrollfreak, sondern vielmehr Jemand, der seinen Lebensweg eben ungern Zufällen überlässt, weil selbiger sich mit bewusst gewählten Eingriffen in den zeitlichen Fortlauf durchaus optimieren lässt. Die Art, wie Maggie bereits in der Eröffnungsszene mit Nachdruck verlauten lässt, zur Not auch ohne Lebenspartner ein Kind bekommen zu wollen, zeugt von einem Selbstbewusstsein, bei dem eine eventuell emanzipatorische Wertigkeit noch untertrieben wäre. Ihre Selbstverständlichkeit, Leben und Familiengefühl nicht von einem Beziehungsstatus abhängig machen zu wollen, ist fast noch lebensechter, als es in der Realität wohl möglich wäre; gleichwohl ist es gerade im Kino von einer immensen Wertigkeit, in einem Film mit starker, weiblicher Hauptfigur, nicht permanent zu betonen, dass wir es hier eben mit einer Frau zu tun haben (siehe auch unsere Kritik zu „Ghostbusters“). Was passiert, das passiert einfach; ganz gleich, welches Geschlecht hier welche Ziele verfolgt. Durch diese unterschwellige Anarchie gewinnt „Maggies Plan“ schon früh eine Authentizität, durch die auch der Witz des Films viel selbstverständlicher daherkommt, als in manch anderer Komödie. Pointen müssen nicht forciert, Gags nicht konstruiert werden. Und auch auf die Gefahr hin, auf Werbe-Plattitüden zurückzugreifen, so fasst es die Aussage, „‚Maggies Plan‘ fühlt sich tatsächlich so echt an, wie das Leben selbst“, wohl am besten zusammen.

Genau diese Lebensnähe ist auch der Grund dafür, weshalb Figuren wie die von Julianne Moore („Still Alice“) herausragend zynisch verkörperte Georgette (die in der Originalfassung mit einem hinreißend nordischen Akzent spricht) nicht wie grob skizzierte Stereotypen, gar Karikaturen wirken, sondern genau wie Maggie im Hier und Jetzt verankert sind. Wenn Georgette der bei ihr auf der Matte stehenden Maggie einen Tee mit einem Löffel Butter anbietet, weil dadurch „das Verlangen nach Süßem eingedämmt“ wird, dann ist das bei aller Skurrilität keine um der Pointe Willen in die Szenerie eingeschobene Entscheidung Georgettes, sondern nur eines von vielen Spleens ihres nie wirklich ganz zu durchschauenden Charakters. Dagegen wirkt Ethan Hawkes („Regression“) John fast schon langweilig; gleichwohl wird dadurch aber auch ebenjenes Problem greifbar, mit dem Maggie zu kämpfen hat: John ist tatsächlich ein über alle Maßen langweiliger Mann; nie im Bösen begründet, zeichnet das Skript, von Rebecca Miller selbst verfasst, glaubhaft nach, was geschieht, wenn die erste Verliebtheitsphase weg ist und sich der Alltag einstellt. Diese Thematik mag von Außen wenig kreativ wirken; dadurch, dass Rebecca Miller sowohl die Belange von Maggie, als auch die von John beleuchtet, gewinnt „Maggies Plan“ jedoch an Substanz. Miller lässt es ebenso zu, Maggie in Teilen als nie zufriedene Idealistin darzustellen, wie sie in John Facetten eines verantwortungslosen Eigenbrötlers offenlegt. Dass beide Charaktere gleichzeitig aufopferungsvoll für ihre Familie einstehen, steht dazu ebenso im Kontrast, wie die merkwürdige Freundschaft zwischen John und Georgette zu der Aussage, dass beide eigentlich getrennt sind.

Während Rebecca Miller viel Feinarbeit in die Ausarbeitung ihrer Charaktere legt, ist die Handlung selbst fast nur ein Nebenelement. „Maggies Plan“ ist erwartungsgemäß ein Film, der nicht mit visuellen Qualitäten aufwartet; durch den Schwerpunkt auf mal philosophische, mal komische, mal sinnierend-ernste Dialoge, erinnert Millers Film stark an typisches Woody-Allen-Kino, was von der Paar-Konstellation aus dem älteren Literaturprofessor und der kernigen Mittdreißgerin sogar noch untermauert wird. Insofern ist „Maggies Plan“ weniger eine einer klassischen Dramaturgie folgende Erzählung, sondern eine Aneinanderreihung von Alltagssituationen, bei der obendrein nie ganz klar wird, worauf Miller eigentlich zusteuert. Eine Schluss-Pointe, wie man sie zuletzt etwa in Allens „Irrational Man“ zu sehen bekam, besitzt „Maggies Plan“ ebenfalls, kommt jedoch nicht so subversiv und dadurch überraschend daher, wie man es sich auch als pfiffiger Zuschauer gern gewünscht hätte. Also alles nur fauler Zauber? Im Gegenteil! Die verspielt-leichtfüßige Attitüde von „Maggies Plan“ unterstreicht Maggies unbedarfte Weltsicht. Es als Regisseurin fertig zu bringen, durch die Augen einer Figur auf die Leinwandereignisse zu blicken, ist eine Kunstfertigkeit, die nicht jeder Filmemacher besitzt.

Fazit: Als hätte Woody Allen „Das hält kein Jahr..!“ inszeniert: „Maggies Plan“ ist eine schwarzhumorige Studie darüber, was passiert, wenn man Pläne macht, während das Leben andere Wege vorsieht. Damit startet Rebecca Millers Film eine fein beobachtete Gegenbewegung zu klassischen Nicholas-Sparks-Schmonzetten, die uns durchgehend schmunzeln, jedoch auch immer wieder darüber nachdenken lässt, was wir uns eigentlich vom Leben erhoffen.

„Maggies Plan“ ist ab dem 4. August in den deutschen Kinos zu sehen.

6 Kommentare

  • Auf den Film hoffe ich in der nächsten Sneak! Daumen drücken 🙂
    Kurze Zwischenfrage: Warum schreibst du neuerdings immer „wir“ und „uns“? Ich dachte du betreibst diese Seite alleine.

    • Ein Großteil der Texte sind ja in erster Linie nicht hauptsächlich für den Blog gemacht, sondern werden auf diversen anderen Seiten veröffentlicht. Außerdem finde ich es klanglich stimmiger (da allgemeingültiger), von einem „wir“, anstatt einem „ich“ zu sprechen. „Ich“ schreibe ich bspw. in meinen Jahrescharts, wenn ich wirklich betonen will, dass es meine persönliche, subjektive Meinung ist. In meinen regulären Filmkritiken übe ich mich bekanntermaßen in objektiver, emotionsloser Kritik. Verständlich? 😀

      Darüber hinaus: Mittlerweile habe ich tatsächlich den einen oder anderen Helfer. Trotzdem ist es natürlich immer noch alles MEINS hier. 😀

      Beste Grüße und ich drücke die Daumen für die Sneak!

  • Ja, das macht Sinn. Hatte mich nur gewundert 😉
    Das „wir “ ist mir nämlich erst jetzt aufgefallen. Stört aber auch nicht weiter. Dachte ich frag mal nach 🙂

    • Alles cool! 🙂 War auch weniger eine bewusste „Ab jetzt schreibe ich „wir““-Entscheidung, zumal ich vorher nie „ich“ geschrieben habe. Irgendwann passte das mal in einen Text rein und dann dachte ich mir, dass ich damit gut leben kann als Kompromiss zwischen „vollkommen neutral“ und Blog-Style „Ich denke, dass…“. Lockert die Texte einfach ein bisschen auf. 🙂

  • Pingback: Das startet am 4. August 2016 | Wessels-Filmkritik.com

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