Mit besten Absichten

Susan Sarandon und Rose Byrne als Mutter-Tochter-Gespann, das nach dem Tod des Vaters in den Alltag zurückfindet, zeigt uns Regisseurin Lorene Scafaria in MIT BESTEN ABSICHTEN auf sehr sensible Art und Weise. Mehr zum Film in meiner Kritik.Mit besten Absichten

Der Plot

Nach dem Tod ihres geliebten Ehemanns ist Marnie Minervini (Susan Sarandon) kürzlich von New Jersey nach Los Angeles umgezogen, um wieder näher bei ihrer Tochter Lori (Rose Byrne) – einer erfolgreichen, aber immer noch allein lebenden Drehbuchautorin – zu wohnen und sie mit mütterlicher Liebe zu überschütten. Ausgestattet mit einem beachtlichen Bankguthaben, das ihr von ihrem Mann hinterlassen wurde, hat Marnie es sich in einem tollen Apartment gemütlich gemacht, das neue iPhone immer griffbereit. Doch die Unmengen an SMS, Überraschungsbesuchen und Gesprächen voller ungebetener Ratschläge zwingen Lori bald dazu, klare Grenzen zwischen ihrer Mutter und ihrem Privatleben zu ziehen. Und auch Marnie findet Mittel und Wege, ihren unendlichen Optimismus und ihre energische Großzügigkeit in neue Bahnen zu lenken. Sie verändert das Leben anderer Menschen sowie auch ihr eigenes und findet eine neue Bestimmung.

Kritik

„Das Gegenteil von gut ist gut gemeint!“. Das wusste auch schon die Hamburger Rockband Kettcar, die im Refrain ihres Songs „Im Taxi weinen“ über genau diese Art falscher Fürsorge sinniert. Auch das Kino hat die Thematik dysfunktionaler Eltern-Kind-Beziehungen schon oft beleuchtet; beide Extreme wohlgemerkt. In die Kerbe von Tragikomödien wie „Unterwegs mit Mum“, der sich im Kinojahr 2012 offenbar zu zurückhaltend präsentierte, um jene Aufmerksamkeit zu generieren, die er verdient gehabt hätte, schlägt nun auch „Mit besten Absichten“. Der deutsche Name der im Original „The Meddler“ betitelten Geschichte von Mutter und Tochter, die sich nach dem Tod des männlichen Familienoberhaupts allein miteinander arrangieren müssen, trifft den Kern der Erzählung dabei weitaus besser. Im Deutschen versteht man unter einem „Meddler“ nämlich einen Eindringling. Und auch, wenn sich Susan Sarandons Marnie hier und da ein wenig in Zurückhaltung üben sollte, um ihre eigene Tochter mit all ihrem Enthusiasmus, geschweige denn mit ihrer Liebe nicht zu erdrücken, ist die Figur der überfürsorglichen Mutter hier doch weitaus facettenreicher gezeichnet, als dass sie sich pauschal als Eindringling bezeichnen ließe. Dadurch fehlt es „Mit besten Absichten“ für eine Mainstream-Komödie unübersehbar an allzu deutlichen Reibungspunkten. Die Tragikomödie ist viel sensibler inszeniert und übt sich dadurch in wesentlich subtileren Erkenntnissen, als es sich vermutlich in standardisierter gedrehten Filmen dieses Schlages abspielen würde. „Mit besten Absichten“ ist weder am nahe liegenden Gag, noch an der nicht weniger weit entfernt liegenden Vorschlaghammermoral interessiert. Stattdessen geht es Regisseurin Lorene Scarafia („Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt“) hauptsächlich um die zurückhaltende Betrachtung weiblicher Gefühlsregungen.

Mit besten Absichten

„Mit besten Absichten“ ist sicherlich kein Film, mit dem ausnahmslos jeder Zuschauer etwas anfangen kann. Auch wenn an dieser Stelle normalerweise jedwede Form der Gendereinordnung vermieden wird, so richtet sich die Filmemacherin Scafaria mit ihrem Film doch so deutlich an eine weibliche Zielgruppe, dass man Niemandem böse sein kann, wenn ihm dadurch gewisse emotionale Entwicklungen fern bleiben. Das hat gar nichts damit zu tun, dass „Mit besten Absichten“ voll und ganz von den beiden weiblichen Darstellerinnen Rose Byrne („Spy – Susan Cooper Undercover“) und Susan Sarandon („Tammy“) getragen wird. Im Gegenteil: Die Hauptfiguren Marnie und Lori bedienen weder Klischees, noch kehren sie in anderer Form übertrieben ihre Weiblichkeit hervor. Den Fokus ihrer Erzählung legt Scafaria jedoch auf die Belange von Frauen unterschiedlichen Alters. Auch wieder ohne Klischees, aber eben auch ohne Rücksicht darauf, ob das, was hier seziert wird, auch Menschen anderen Geschlechts anspricht. Es geht um die Frage nach der „richtigen“ Lebensweise, um Babys, Schwangerschaften, die Vereinbarung von Muttersein und Karriere, aber auch darum, im hohen Alter vielleicht nochmal einen Mann zu finden und darum, weshalb man als Frau manchmal besser dran ist, wenn man sich nicht an einen Mann bindet. Lorene Scafaria greift dabei weder auf simple Allgemeinplätze zurück, noch deutet sie an, für all diese Thematiken eine Universallösung bieten zu wollen. Stattdessen lässt sie der Interaktion von Mutter und Tochter ihren Lauf und schaut, was passiert. Ereigniskino ist „Mit besten Absichten“ damit nicht. Womit der Film allerdings besticht, ist genau diese Zurückhaltung, mit der die Regisseurin andeutet, dass ihr wirklich viel an ihren Figuren liegt. So muss gar nicht viel passieren, um als am Geschehen interessierter Zuschauer Mitgefühl mit Marnie und Lori zu entwickeln. Irgendwann macht es automatisch Spaß, den beiden zuzusehen.

Trotzdem ist „Mit besten Absichten“ keiner dieser Filme, die sich ausschließlich über ihren Dialog definieren; im Gegenteil. Hat Lori ihrer Mutter erst einmal die Meinung dazu gesagt, wie anstrengend die Helikopterattitüde von Marnie wirklich ist, sind Sarandon und Byrne eine ganze Weile gar nicht zusammen auf der Leinwand zu sehen. Fand der Weg des Wieder-zu-Einander-Findens in „Unterwegs mit Mum“ noch durch dauerhaftes Aufeinanderhocken statt, hält das Skript von Lorene Scafaria andere Mittel und Wege für die Figuren bereit, um die Annäherung von Mutter und Tochter zu erreichen. Susan Sarandon geht so glaubhaft in der Rolle auf, dass es absolut authentisch wirkt, wie sie sich immer wieder neue Hobbies sucht, um mit ihrer neu gewonnenen Zeit Menschen glücklich zu machen. Ohne 08/15-Konflikte zu provozieren (als sich Marnie in die Hochzeitsvorbereitungen ihr fremder Frauen einmischt, läge die Standpauke ihrer Tochter eigentlich nahe, doch konsequenterweise ist Lori froh, dass ihre Mutter nun endlich eine neue, vor allem aber Zeit fressende Aufgabe hat), gehen die beiden Frauen ihren Weg, erleben dabei teils Skurriles, wozu auch das liebevolle Kennenlernen von Marnie und dem attraktiven Officer Zipper (J.K. Simmons) gehört und finden schlussendlich immer wieder zueinander. Als gen Ende sogar die Frage im Raum steht, ob Lori möglicherweise schwanger sei, entwickelt sich hieraus eine Szene von tragikomischer Brillanz, die gerade deshalb so mitreißend gerät, weil das Skript vorab so ausgiebig an den Figuren gefeilt hat.

Mit besten Absichten

Funktionieren kann das alles nur, weil sämtliche Darsteller in „Mit besten Absichten“ voll und ganz mit ihren Rollen verschmelzen. Rose Byrne macht nie einen Hehl daraus, ihre Lori sympathisch anlegen zu wollen. Trotzdem ist ihr Wunsch, von ihrer Mutter nicht ständig umgarnt zu werden, stets nachvollziehbar. Die Karrierefrau-Attitüde lässt Byrne wie selbstverständlich in ihre Figur einfließen, worauf ihre Mutter mächtig stolz ist. Susan Sarandon ist sichtlich daran gelegen, aus ihrer Marnie nie das Abziehbild einer Helikopter-Mum zu machen. Die Fürsorge ihrer Tochter gegenüber rührt einzig und allein von dem Verlust her und dem Wunsch, nach dem Tod des Mannes wieder mehr Zeit mit dem Kind zu verbringen. Das ist nachvollziehbar, verständlich und trotzdem lassen sich zu jedem Zeitpunkt auch die Gefühle der anderen Seite erklären. So verzichtet Lorene Scafaria ganz bewusst darauf, die Situation innerhalb ihres Films nie eskalieren zu lassen. Nicht einmal allzu böse Worte fallen; ganz ungewohnt für einen Film, in dem sich Erwachsene mit einem Konflikt auseinander setzen müssen. J.K. Simmons („Whiplash“) hat bei alledem leider nur wenig zu tun, zeigt aber immerhin einmal mehr, dass ihm auch der Sympathieträger von Nebenan ganz hervorragend liegt.

Fazit: Ein rührender Film über Mütter und Töchter – ohne Klischees zu bedienen, legt uns Regisseurin Lorene Scafaria in „Mit besten Absichten“ nahe, dass man geliebte Menschen nicht erdrücken, aber auch nicht gänzlich von sich weisen muss, um eine lange, erfüllte Beziehung zu genießen.

„Mit besten Absichten“ ist ab dem 14. Juli in den deutschen Kinos zu tun.

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