Seitenwechsel

Regisseurin Vivian Naefe begibt sich in ihrer Komödie SEITENWECHSEL auf das altbekannte Parkett der Body-Switch-Comedy. Wie gut sie diesen von Klischees und Vorurteilen gesäumten Weg meistert, verrate ich in meiner Kritik.Seitenwechsel

Der Plot

In der Ehe von Fußballtrainer Alex (Wotan Wilke Möhring) und Psychologin Teresa (Mina Tander) ist schon seit einiger Zeit der Wurm drin. Das registriert nicht bloß die gemeinsame Teenie-Tochter Julia (Ruby O. Fee), sondern auch das gesamte Umfeld der beiden Streithähne. Nun stehen sie nach 15 Jahren Ehe kurz vor der Scheidung, als eines Nachts nach einem heftigen Streit mit allerlei Wünschen und Verwünschungen das Unfassbare geschieht: Während eines Gewitters tauschen die beiden die Körper. Jetzt ist er sie, sie ist er und das Chaos ist perfekt. Irgendwie versuchen sich die beiden mit dieser ungewöhnlichen Situation zu arrangieren. Teresa versucht sich als einfühlsame Fußballtrainerin, die den Verein ihres Mannes vor dem drohenden Abstieg bewahren soll und Alex nimmt es kurzerhand mit den psychisch labilen Patienten seiner Frau auf. Nach und nach beginnen beide zu begreifen, dass das Leben des jeweils anderen gar nicht so einfach zu stemmen ist…

Kritik

Ein Film über Vorurteile lässt sich kaum ohne selbige inszenieren. Es liegt einfach in der Natur der Sache, dass man Klischees zeigen muss, um sich anschließend überhaupt mit ihnen auseinander setzen zu können. Gleichzeitig kann man genau das auf zwei verschiedene Arten machen: Entweder man geht den plumpen, oder aber den charmanten Weg und fügt den eingefahrenen Vorstellungen frische Akzente bei. Regisseurin Vivian Naefe, deren ZDF-Festtagsproduktion „Obendrüber da schneit ist“ zu den ebenso einfühlsamsten wie unkitschigsten deutschen Weihnachtsfilmen der letzten Jahre gehört, entscheidet sich bei ihrer Körpertausch-Comedy „Seitenwechsel“ für den richtigen Ansatz. Mit ihrer mit Wotan Wilke Möhring („Da muss Mann durch“) und Mina Tander („Frau Müller muss weg!“) hochkarätig besetzten Fantasyromanze schafft es die 59-jährige Hamburgerin zwar nicht, dem im Kino so beliebten Thema gänzlich neue Facetten abzugewinnen. Trotzdem ist ihr Film, anders als Genrekollegen wie „Wie ausgewechselt“, nicht etwa nervig-überdreht, sondern liebevoll wie einst „Freaky Friday“ und verzichtet darüber hinaus auf ein allzu melodramatisches Selbstfindungsfinale.

Seitenwechsel

In sogenannten Body-Switch-Komödien geht es in den allermeisten Fällen darum, durch den Tausch des Körpers mit einer anderen Person (oder seinem jüngeren Ich) eine ganz neue Perspektive auf sein eigenes Leben zu gewinnen. Das ist in „Seitenwechsel“ nicht anders – die Ehe von Alex und Teresa begann einst märchenhaft, nach nunmehr 15 Jahren haben die das Gegenüber anfangs so attraktiv machenden Unterschiede die Geduld der Liebenden jedoch überstrapaziert. Durch Alex‘ tolerant-lockeren Erziehungsstil von Teenie-Tochter Julia haben sich Teresa und ihr Zögling mittlerweile weit voneinander entfernt, während die Bande zwischen Julia und Alex stärker und stärker wird. Auch der Job beider Lebenspartner nimmt immer größeren Raum innerhalb der Beziehung ein. Alex‘ Fußballmannschaft kämpft gegen den Abstieg, während Teresa von den psychischen Problemen ihrer Patienten so mitgenommen ist, dass sie auch Zuhause kaum abschalten kann. Nun geht das Paar selbst zur Therapie, die unrühmlich mit der Erkenntnis endet, dass eine Scheidung wohl das Beste ist. Das klingt alles recht genrekonform. Auch der anschließende Körpertausch baut zunächst auf bekannte Szenarien, wenn Mann das erste Mal „seine“ Brüste im Spiegel sieht und Frau verkrampft versucht, einen möglichst männlichen Auftritt hinzulegen. So weit so standardisiert – und zugegebenermaßen wird es auch nicht wirklich origineller. Doch gerade bei einer Geschichte dieses Kalibers ist die Darstellerleistung besonders wichtig. Und mit Wotan Wilke Möhring sowie Mina Tander hat Vivian Naefe zwei echte Glückstreffer gelandet.

Häufig krankt die Glaubwürdigkeit einer solchen Komödie an den Schauspielleistungen der Darsteller, die mithilfe zweifelhafter Affektiertheit versuchen, dazustellen, wie es wohl ist, wenn Mann plötzlich Frau und Frau plötzlich Mann ist. Im Falle von „Seitenwechsel“ lassen sich gewisse Ansätze eines derartigen Overactings zwar nicht leugnen, doch Möhring und Tander überspielen die gewiss auch aus einer Unwissenheit heraus resultierende Hilflosigkeit mit jeder Menge Charme; wer weiß denn auch schon, wie man reagieren würde, wenn man plötzlich im Körper des anderen Geschlechts steckt? Dass das Skript von Kati Eyssen („Heute bin ich Blond“) und Andrea Sixt („Eine ganz heiße Nummer“) die beiden Protagonisten teilweise dümmer erscheinen lässt, als sie es eigentlich sind (die als smarte Frau etablierte Teresa sollte sich im Körper eines Mannes eigentlich nicht so kleiden, wie sie als weibliche Person umherlaufen würde und anders herum), ist schade. Gleichsam macht es aufgrund der geerdeten, herrlich unalbernen Inszenierung Spaß, den beiden Körpertauschern dabei zuzusehen, wie sie sich in ihrem neuen Leben zu Recht finden. Die ganz hohe Gagdichte lässt „Seitenwechsel“ dabei vermissen. Dafür behandelt Vivian Naefe auch Themen wie die familiäre Entfremdung und den Umgang mit psychisch labilen Menschen auf sensible Weise.

Mina Tander

Neben Mina Tander und Wotan Wilke Möhring sind unter anderem Darsteller wie Friederike Kempter („Rico, Oskar und der Diebstahlstein“) als überdrehte beste Freundin von Teresa, Axel Stein („Angry Birds – Der Film“) als Alex‘ Co-Trainer sowie Frederick Lau („Wie Männer über Frauen reden“) als Teresas soziophober Patient zu sehen. Letzterer erweist sich in seinen kurzen Auftritten als echter Szenendieb und schafft es gerade auf der Zielgeraden, „Seitenwechsel“ mithilfe seiner kantigen Performance von den leicht sentimentalen Andeutungen fern zu halten. Auch der weitestgehende Verzicht auf kitschige Radiopop-Balladen (lediglich eine Coverversion von „What Is Love?“ darf an einigen Stellen hemmungslos geträllert werden) sowie auf die zum Standard gewordenen Schwenks über hippe deutsche Großstädte gefällt. Vivian Naefe ist ganz an ihren Figuren und der Auflösung des Konflikts interessiert. Diese Schnörkellosigkeit und Sympathien für die Charaktere machen aus „Seitenwechsel“ ein überraschend angenehmes Filmvergnügen, das sich im Anbetracht der Trailer so nicht ankündigte. Da verzeihen wir es dem Skript auch, dass es den Mann naheliegend als Fußballtrainer, die Frau als Psychotherapeutin darstellt.

Fazit: Neue Facetten kann Regisseurin Vivian Naefe dem bekannten Körpertausch-Thema nicht abgewinnen. Dafür ist ihr Projekt „Seitenwechsel“ beileibe nicht so anstrengend wie manch andere Genrevertreter und setzt hier und da auf leise Zwischentöne, die dank der guten Performance von Mina Tander und Wotan Wilke Möhring durchgehend glaubhaft wirken.

„Seitenwechsel“ ist ab dem 2. Juni bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

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