Southpaw

In seinen Actionfilmen macht Antoine Fuqua keine Gefangenen. Nun versucht sich der Regisseur in SOUTHPAW erstmals daran, toll choreographierte Kampfsequenzen mit den großen Emotionen eines Charakterdramas zu verbinden. Mit Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle und einem phänomenalen Soundtrack von Eminem gelingt ihm dieses Kunststück trotz Abstrichen in der Inszenierung furios. Mehr zum Film lest Ihr in meiner Kritik.
Der Plot
Den Titel des Boxweltmeisters hat sich Billy Hope (Jake Gyllenhaal) hart von ganz unten erarbeitet, nicht zuletzt dank der unermüdlichen Unterstützung seiner geliebten Frau Maureen (Rachel McAdams), die im Hintergrund die Fäden zieht. Doch ein Schicksalsschlag, durch den auch das Leben von Billys kleiner Tochter Leila (Oona Laurence) aus den Fugen gerät, zerstört jäh die Idylle. Als ihn dann auch noch sein langjähriger Freund und Manager (Curtis „50 Cent“ Jackson) im Stich lässt, fällt Billy ins Bodenlose. Erst als Box-Coach Tick Wills (Forest Whitaker) ihn unter seine Fittiche nimmt, ist der gebeutelte Sportler bereit, sich wieder in den Ring zu wagen und sich dem härtesten Kampf seines Lebens zu stellen: dem Kampf gegen sich selbst.
Kritik
Antoine Fuqua ist ein Mann der lauten Töne. Mit „The Equalizer“ lieferte der 49-jährige Regisseur im vergangenen Jahr einen ebenso harten wie stylischen Ein-Mann-Actioner ab, der sich in seiner Brachialität positiv vom weichgespülten Blockbuster-Allerlei abhob. Ebenso verhielt es sich mit „Olympus Has Fallen“, dem rauen Pendant zum Michael-Bay-Gedächtnisfilm „White House Down“. Ob „Training Day“, „Shooter“ oder „Gesetz der Straße“: Fuquas Filme verklären nicht und bieten dem Publikum stets die volle Breitseite an knallharter Action, in deren Zusammenhang Emotionen normalerweise eher eine untergeordnete Rolle spielen. Das soll mit „Southpaw“ jetzt alles anders werden. Das Boxerdrama um den psychisch labilen Champion Billy Hope, der aus Liebe zu Frau und Kind gleichsam auf die schiefe Bahn gerät wie wieder von dieser hinwegzukommen versucht, definiert sich zwar in vielen Momenten durch die spektakulär inszenierten Boxsequenzen, doch der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf dem Charakterportrait des von Jake Gyllenhaal („Enemy“) phänomenal verkörperten Sportlers. Sein Wandel vom optimistischen Lebemann zum psychischen Wrack bis hin zum unerschütterlichen Kämpfer ist ein emotionaler Tanz auf der Rasierklinge. Das inszenatorische Grundgerüst einer solchen Geschichte erfindet Fuqua dabei definitiv nicht neu, doch die starken Leistungen aller Beteiligter sowie die atmosphärische Musikuntermalung von Marshall „Eminem“ Matters, der den Film auch produzierte und ursprünglich für die Hauptrolle vorgesehen war, machen aus „Southpaw“ eines der mitreißendsten Filmerlebnisse des Jahres.
Mit der Konzeption des Boxerdramas gelingt Fuqua sicherlich nicht die Neuerfindung des Rades. Protagonist Billy, der reichlich bedeutungsschwanger mit dem Nachnamen Hope, zu Deutsch: „Hoffnung“, ausgestattet ist, vollzieht die Höhepunkte und Tiefschlage einschließlich seines dadurch geformten, charakteristischen Wandels recht formelhaft und genrekonform. Die Skizzierung der Charaktere spielt dabei eine nicht unwichtige Rolle. Neben dem außen harten, innen zarten Billy und seiner aufopferungsvollen Ehefrau Maureen (zerbrechlich: Rachel McAdams) hält das Skript auch noch Figuren wie die von der beeindruckenden Neuentdeckung Oona Laurence verkörperte Tochter Leila, den gewinnorientierten und nur oberflächlich an Billys Wohlbefinden interessierten Manager Jordan und den hoffnungsvollen Boxtrainer Tick bereit. Derartige Figuren gehören zum Standardrepertoire eines gängigen Sportlerdramas und bilden ein weitestgehend überraschungsarmes Grundgerüst. Auch die Story geht über weite Strecken reichlich konventionelle Wege. Der Weg des Aufstiegs, Falls und Wiederaufstiegs von Billy Hope ist ziemlich geradlinig vorgezeichnet, doch Antoine Fuqua ruht sich nicht darauf aus, dass derartige Inszenierungsmechanismen von alleine funktionieren. Stattdessen besinnt er sich auf seine Passion für das Filme machen und steckt diese im Falle von „Southpaw“ nicht (nur) in formidabel choreographierte Kampfsequenzen, sondern allen voran in die emotionale Intensität. Das Drama zieht den Zuschauer mit der Zeit immer weiter in seinen Bann, bis es irgendwann keine Grenzen mehr zu geben scheint. Wenn man denkt, der Tiefpunkt in Billy Hopes Leben sei erreicht, geht es immer noch weiter bergab. Kündigt sich eine vermeintliche Wendung zum Positiven an, ist diese zumeist nur der Auftakt einer weiteren Katastrophe. So ergibt sich trotz der berechenbaren Ausgangslage ein unvorhersehbarer Sog und eine damit einhergehende Spannung, die den Kinosaal zum Kochen bringt.
Der Zuschauer wird mit dieser schier aussichtslosen Lage unmittelbar konfrontiert. Durch das eindringliche, offensive und ungeschönte Spiel des oscarwürdigen Jake Gyllenhaal fordert „Southpaw“ vom Zuschauer stets eine direkte Reaktion. Drehbuchautor Kurt Sutter („Sons of Anarchy“) zeichnet Billy Hope als absolut wankelmütigen, schwer einschätzbaren und in seinen Taten nicht immer nachvollziehbaren Charakter, der es dem Publikum nicht leicht macht, ihn als Protagonisten zu verstehen. Um die Geschichte in all ihren Facetten zu erfassen, bedarf es dem Vermögen, sich für sämtliche Facetten eines Menschen zu interessieren. Die sich selbst teilweise widersprechenden Charakterzüge stoßen den Zuschauer in manchen Momenten durchaus vor den Kopf, sodass die Nachvollziehbarkeit der Prämisse gefährdet ist, solange man sich von der Vielschichtigkeit des Billy Hope überfordert fühlt. Doch gerade hierdurch gewinnt „Southpaw“ mehr und mehr an Substanz, die über die standardisierte Geschichte hinwegtröstet und dem Zuschauer das Leben und Leiden des Billy Hope als energische Achterbahnfahrt näherbringt.
Jene Energie stammt bevorzugt von Marshall Matters, besser bekannt als Rapper Eminem und Oscar-Preisträger für seinen Song „Lose Yourself“, den er 2002 zum Rapperdrama „8 Mile“ beisteuerte. In Zusammenarbeit mit Komponist James Horner („The Amazing Spider-Man“), der hauptsächlich in den ruhigen Momenten von „Southpaw“ zu hören ist und hier sehr zurückhaltende Töne anschlägt, beaufsichtigte Matters einen Hip-Hop-lastigen Soundtrack, zu dem er einige Songs selbst beisteuerte, für einige wiederum auf die Hilfe von Kollegen zurückgriff. Die Songs „Phanomenal“ von Eminem himself sowie „Kings Never Die“ in Kooperation mit Gwen Stefani werden zu Rap-Hymnen, die den Schmerz, die Kraft und den daraus resultierenden Siegeswillen Hopes bündeln und dem Film damit eine paralysierende Dynamik verleihen. Durch die nuancierte Platzierung der jeweiligen Musikstücke macht die Musik einen großen Teil der Antriebskraft von „Southpaw“ aus, welche die emotionalen Belange sämtlicher Figuren unterstreicht. Unter jenen sticht neben Gyllenhaal vor allem Forrest Whitaker („Der Butler“) hervor, dessen zurückhaltende und doch treibende Attitüde brilliert. Lediglich Teilzeitschauspieler Curtis „50 Cent“ Jackson unterliegt seinen agierenden Kollegen sichtbar und hat das drehbuchbedingte Glück, nicht allzu viel Screentime zu besitzen. Seiner Figur geht jene Intensität ab, mit der sämtliche anderen gesegnet sind.
Fazit: Antoine Fuquas Boxerdrama „Southpaw“ besticht durch brillante Darstellerleistungen und eine schier unbegrenzte, emotionale Intensität, die den genrekonformen Skriptaufbau auf ganzer Linie ausgleichen können. Ummantelt von einer spektakulären, technischen Ausstattung gehört „Southpaw“ zu den Sportfilm-Highlights dieser Dekade.
„Southpaw“ ist ab dem 20. August in den deutschen Kinos zu sehen.
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