Manolo und das Buch des Lebens

Ein Animationsfilm über den Tod? Eine gewagte Kombination, deren Stil noch viel mutiger ist. MANOLO UND DAS BUCH DES LEBENS ist eine waschechte Guillermo-del-Torro-Produktion, der das Schauderhafte aus jeder Pore trieft. Gleichwohl ist das 3D-Spektakel ein atemberaubendes, nicht minder kunstvolles Erlebnis, welches das dafür offene Publikum für eineinhalb Stunden in nie dagewesene Welten entführt. Da sehen selbst die Pixar-Universen für einen kurzen Moment sehr, sehr blass aus. Mehr zum Film in meiner Kritik.

Manolo und das Buch des Lebens

Der Plot

Die schöne Maria (gesprochen von Pegah Ferydoni) hat die Herzen von gleich zwei Männern im Sturm erobert. Seit ihrer Kindheit sind Manolo (Giovanni Zarella) und Joaquin (Daniel Fehlow) die besten Freunde, doch seit geraumer Zeit haben beide nur noch Augen für die süße Mexikanerin. Gemeinsam verbringt das Dreiergespann jede freie Minute miteinander, doch als Maria das Land verlässt, um mit ihrer Familie nach Europa aufzubrechen, trennen sich ihre Wege. Manolo und Joaquin schwören, auf ihre Angebetete zu warten, bis diese eines Tages zurückkehren wird, um einen der beiden zu ehelichen. Jahre später ist Maria zu einer einflussreichen, jungen Lady herangewachsen. Joaquin, aufstrebender Hüter der Stadt, wähnt sich ihrer Liebe bereits sicher und auch Manolos Gefühle sind nicht abgeklungen, auch wenn dieser ganz andere Probleme hat; will sein Vater ihn doch als erfolgreichen Stierkämpfer in der Arena sehen, während Manolo sich lieber der Musik widmen möchte. Da bekommen zwei Geister der Unterwelt Wind von den Liebeleien. La Muerte, Herrin des Reiches der Erinnerten, sowie Xibalbá, Herr des Reiches der Vergessenen, wetten darum, wen Maria wohl heiraten wird. Der Gewinner darf sich in die Belange des jeweils anderen einmischen. Doch einer von beiden spielt falsch und nimmt das Schicksal der Verliebten selbst in die Hand – mit weitreichenden Folgen…

Kritik

Das Animationsfilmsegment wird seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten, von einer Handvoll Studios dominiert. Disney, Pixar und Dreamworks stellen die alljährlichen Anwärter auf Publikumsmagneten und CGI-Awards, während solche Produktionsschmieden wie Laika („Coraline“, „ParaNorman“) oder die weltberühmten Ghibli-Studios („Wie der Wind sich hebt“) nur einer ausgewählten Masse an Filmliebhabern genauer bekannt sind. Sich in diesem hart umkämpften Dschungel zu behaupten, kann rasch nach hinten losgehen. Auch die Animatoren der bislang eher unbekannten Reel FX Creative Studios können auf eine sehr übersichtliche Vita verweisen, die noch dazu nicht unbedingt von Erfolg gekrönt ist: Neben dem reichlich missratenen 3D-Super-GAU „Cirque du Soleil: Traumwelten“ folgte im vergangenen Jahr der ebenfalls nur übersichtlich gelungene Truthahn-Spaß „Free Birds – Esst uns an einem anderen Tag“, zu dessen Hauptargumenten für den Ticketkauf einzig eine sehr gelungene (und namhafte) Riege an Synchronsprechern gehörte. Da mag man es angesichts der überbordenden Ideenvielfalt in deren neuem Projekt „Manolo und das Buch des Lebens“ kaum glauben, wie klein die Damen und Herren aus Übersee einst anfingen. Doch gerade in Hollywood sollte ein Grundsatz gelten: Jeder verdient eine zweite Chance! Mit Produzent Guillermo del Toro an seiner Seite verhilft Langfilmdebütant Jorge R. Gutierrez dem Studio auf einen Schlag zu einem besseren Image – und macht es damit zu waschechter Konkurrenz für die „Big Three“.

Manolo und das Buch des Lebens

Selten sieht man die Einflüsse eines Produzenten so sehr, wie im Falle von Genre-Altmeister Guillermo del Toro („The Strain“), der solch unwiderstehliche Schauerklassiker wie „The Devil’s Backbone“ sowie „Pans Labyrinth“ inszenierte, und als ausführender Produzent Gruselprojekte wie „Das Waisenhaus“ oder „Mama“ betreute. Da wundert es wenig, dass die düster-melancholische Stimmung des Filmemachers, der einen Hang dazu besitzt, die Schönheit im Makaberen zu sezieren, auch auf Jorge R. Gutierrez überschlägt, der mit „Manolo und das Buch des Lebens“ sein Leinwanddebüt feiert. Vorab als Animator und Drehbuchautor („Mad“) tätig, stellt das pompös inszenierte 3D-Märchen die erste, große Kinotätigkeit für Gutierrez dar, der sich mit dieser einen Arbeit ad hoc in den Himmel der wohl kreativsten Filmkünstler der vergangenen Jahre katapultiert. Sein Film ist trotz einer für Animationsfilme reichlich schwermütigen Thematik eine Ode an die Vielfalt von Farben und Formen, die ihre volle Entfaltung erst auf der Leinwand und dort in 3D erreicht. Das faszinierend andersartige Animationsabenteuer profitiert jedoch nicht nur von seinem extravaganten Erscheinungsbild, sondern von ebenjener, bemerkenswerten Reife; Trotz seiner Altersfreigabe ab sechs Jahren eignet sich „Manolo und das Buch des Lebens“ nämlich nicht unbedingt für das ganz junge Zielpublikum.

„Manolo und das Buch des Lebens“ erarbeitet sich hauptsächlich mit zwei Dingen das so wichtige Alleinstellungsmerkmal im Animationsfilmgenre und erhöht darüber hinaus seine im modernen Hollywoodkino so selten gewordene Daseinsberechtigung. Neben dem Stil selbst, mit dem es die Verantwortlichen so aussehen lassen, als wären sämtliche Figuren aus Holz geschnitzte Marionetten, die von Geisterhand bewegt und von winzigen Schnüren zusammengehalten werden, ist es insbesondere die Geschichte, die mit ihrer Düsternis im starken Kontrast zu der so farbenfrohen Bildgestaltung steht. Überhaupt entwickelt sich ein Großteil der von „Manolo“ ausgehenden Faszination aus dem Bilden von Gegensätzen: Die starren Gliedmaßen der Figuren sowie die damit einhergehende Bewegungseinschränkung führen zu dem Eindruck gezieltem Minimalismus‘, werden dabei jedoch von den berauschenden Kulissen gebrochen, die in ihrer Detailvierfalt keinerlei Grenzen kennen. Hierbei machen sich die Animatoren die Umstände der Story zunutze: Im Mittelpunkt der Geschichte steht mit dem mexikanischen Feiertag „Dia de los Muertos“ ein farbenprächtiges Volksfest, von dessen visueller Vielfalt das Erscheinungsbild des Films zu jedem Zeitpunkt profitiert. Gleichsam legt die Thematik ebenjener Festtage auch den Grundton des Streifens fest: Beim „Tag der Toten“ wird den Verstorbenen gedenkt, was „The Book of Life“, so der Originaltitel des Films, eine leichte, wenn auch bedeutsame Melancholie einverleibt.

Manolo und das Buch des Lebens

Derweil ist „Manolo und das Buch des Lebens“ nicht von allzu viel Schwermut geprägt, denn der Hauptplot ist und bleibt ebenjener um die amourösen Verwicklungen der drei Hauptfiguren. Dank der beeindruckend authentischen Sprecherleistungen von Giovanni Zarrella („Turbo – Kleine Schnecke, großer Traum“), Pegah Ferydoni („300 Worte Deutsch“) und Daniel Fehlow („Gute Zeiten, schlechte Zeiten“) kann sich das Publikum dem Charme der drei Hauptfiguren nur schwer entziehen. Nicht nur mit der lange Zeit sehr undurchsichtig voranschreitenden Romanze lässt es sich mitfiebern, auch die äußerst kultpotenziell gezeichneten Götter La Muerte und Xibalbá, erweisen sich ob gelungener One-Liner und unaufdringlich in die Geschichte eingebetteter Lebensweisheiten als echter Glücksgriff. So lässt es sich nicht nur an den phänomenalen 3D-Bildern ergötzen, sondern auch an der Intelligenz, mit welcher Jorge R. Gutierrez hier seinen ersten Langspielfilm abliefert. Darüber hinaus gestaltet sich „Manolo“ über alle Maße abwechslungsreich. Die Irrungen und Wirrungen der Liebe sorgen für die so wichtige Prise Humor, die als Gegenpol zur ernsthaften Todes-Auseinandersetzung dringend notwendig ist, um das junge Publikum nicht zu verstören. Doch schlussendlich ist es allen voran die bahnbrechende Animationstechnik, die auch als alleinstehendes Ticketkauf-Argument ausreichen wird, um das Publikum im Kino zu begeistern. Einzig der Soundtrack, der aus speziell für den Film geschriebenen Songs und der Neuinterpretation diverser Pop-Evergreens daherkommt, verschenkt ein wenig seines so unerschöpflich wirkenden Potenzials.

Fazit: Intelligent, originell und wunderschon: „Manolo und das Buch des Lebens“ verbindet atemberaubende Schauwerte mit einer liebevollen Geschichte, leiser Melancholie und jeder Menge Spaß. Ein kleines Meisterwerk!

„Manolo und das Buch des Lebens“ ist ab dem 12. Februar bundesweit in den Kinos zu sehen – auch in 3D!

Ein Kommentar

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