The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben

Acht Oscar-Nominierungen gehen in diesem Jahr auf das Konto des Alan-Turing-Biopics THE IMITATION GAME – EIN STRENG GEHEIMES LEBEN. In den USA überschlagen sich die Kritiker vor Begeisterung. Die Verfasserin dieser Zeilen möchte die Euphorie jedoch für einen Moment bremsen. Insbesondere durch Benedict Cumberbatch besitzt der Film unübersehbar einen emotionalen Berührungspunkt. Darüber hinaus ist der Streifen jedoch ziemlich frei von Atmosphäre. Mehr dazu in der Kritik zum Film.

IG

Der Plot

England, zu Beginn des Zweiten Weltkriegs: Der geniale Mathematiker Alan Turing (Benedict Cumberbatch) wird vom britischen Geheimdienst engagiert, um – gemeinsam mit einer Gruppe von Code-Spezialisten – den als unentschlüsselbar geltenden Enigma-Code der deutschen Wehrmacht zu knacken. Mit unkonventionellen Methoden und seiner arrogant wirkenden Art macht sich Turing jedoch keine Freunde unter seinen Kollegen und bringt zusätzlich seine Vorgesetzten schnell gegen sich auf: Sie stellen ihm ein Ultimatum. Nur die junge Mathematikerin Joan Clarke (Keira Knightley) hält zu ihm – sie sieht in ihm eine verwandte Seele, einen Außenseiter, der sich gegen alle Widerstände durchsetzen muss. Während Turing fieberhaft an einer elektrischen Rechenmaschine arbeitet, die Enigma entschlüsseln soll, kommen sich die beiden näher. Doch das Genie Turing hat ein wohl gehütetes Geheimnis. Sollte es an die Öffentlichkeit kommen, wäre sowohl das Enigma-Projekt, als auch Turing persönlich in großer Gefahr…

Kritik

Da sind sie also, die Oscar-Nominierungen. Ganze achtmal wurde das Biopic über den genialen Mathematiker Alan Turing für den begehrten Academy Award nominiert. Darunter in den Kategorien „Bester Film“, „Beste Regie“ sowie „Bester Hauptdarsteller“. Um es schon jetzt vorwegzunehmen: Überraschend oder gar unverdient ist an dieser Anhäufung von Nominierungen absolut gar nichts. Das historisch wertvolle Charakterdrama erfüllt so ziemlich alle Voraussetzungen eines klassischen Academy-Films und ist dabei nicht einmal so dummdreist heuchlerisch inszeniert, wie es schon Produktionen der Marke „Unbroken“ oder „Der Butler“ waren. Gleichwohl macht es sich Filmemacher Morten Tyldum in seiner nach „Headhunters“ erst zweiten internationalen Regiearbeit bewusst leicht, um möglichst niemandem auf den Schlips zu treten und im Idealfall noch eine breite Masse an Zuschauern für das Schicksal des psychisch labilen Genies zu begeistern. Dabei sei positiv anzumerken, dass sich „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“ nur selten anbiedert und für einen Film dieses Schlages erstaunlich selten auf Pseudomelancholie und eine bemühte Schwere der Prämisse setzt. Gleichsam hätte Tyldums Streifen dies stellenweise tatsächlich gebraucht, um dem Zuschauer ein Gespür für die brisante Situation zu geben. Das Drehbuch von Andrew Hodges und Graham Moore reißt die dramatischen Ereignisse immer nur so weit an, wie es für den Gelegenheitskinogänger verdaulich ist. Kriegsszenarien gibt es allenfalls in Form von Nachrichtenrückblenden zu sehen, oder werden in den meisten Fällen bloß in der Theorie erwähnt. Sogar dem tragischen Schicksal von Alan Turing selbst widmen die Macher bloß einen Schriftzug innerhalb des Schlussaktes. Schließlich soll das wahre Leben die abenteuerlichen Ereignisse des leidenschaftlichen Tüftlers nicht überschatten.

The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben

Gewiss: „The Imitation Game“ hat unbestreitbare Vorzüge, die bis zu einem gewissen Grad dazu in der Lage sind, dem Streifen ebenjene Leinwandpräsenz zu verleihen, die sich sämtliche Verantwortlichen wohl gewünscht haben. Erwartungsgemäß ist es allen voran Benedict Cumberbatch („Im August in Osage County“), für den die Rolle des zurückhaltenden Soziopathen schon deshalb wie auf den Leib geschrieben ist, weil sich viele Merkmale seiner Paraderolle Sherlock Holmes auch in Turings Charakterzügen wiederfinden. Den Mathematiker umgibt eine solch unnahbare Aura, mit der auch Sir Arthur Conan Doyles Detektiv gesegnet ist. Einen Zugang zu dem schwer einschätzbaren Mann zu finden, offenbart sich für alle Beteiligte als schwierig, eh in „Sherlock“ Dr. John Watson und in „The Imitation Game“ eben Keira Knightley in der Rolle der charismatischen Studentin Joan Clarke auftauchen. In beiden Fällen sind es ebenjene, alsbald zu Freunden werdende Bekannte, die dafür sorgen, dass die Hauptfigur langsam auftaut und annähernd so etwas wie ein Gespür für die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen entwickelt. In „Ein streng geheimes Leben“ ist es bevorzugt eine Szene, in welcher Turing seinen Arbeitskollegen Äpfel mitbringt, nachdem dieser zuvor die Hälfte seiner Mitarbeiter entlassen hat, die Turings schmalen Grad zwischen bemühter Offensivität und angeborener Zurückhaltung betonen.

In solchen Szenen lebt „The Imitation Game“ überdeutlich von der Zwiespältigkeit seines damit sukzessive immer interessanter werdenden Protagonisten. Auch im Zusammenspiel mit Keira Knightley („Can a Song Save Your Life?“) büßt dieser Umstand nicht an Intensität ein. Die stets natürlich daherkommende Aktrice fungiert als Vermittlerin zwischen Publikum und Alan, die uns nach und nach immer mehr Facetten seiner Person näher bringt. Dadurch entwickelt der Zuschauer nicht nur langsam Verständnis für die anfangs noch reichlich unsympathische Figur, sondern auch tiefes Mitgefühl für die sich zuspitzende Situation Alans. Allen voran die lieblich inszenierten Rückblenden, die den Mathematiker als Schuljungen zeigen, tragen einen Großteil dazu bei, dass aus dem Genie Alan Turing bald auch ein einfach gestrickter Mensch mit immer leichter hinzunehmenden Eigenheiten wird. Doch bei derart vielversprechend aufgebauten Voraussetzungen soll es nicht bleiben, denn mit dem Versuch, die Stimmung zwischenzeitlich mehrmals durch situationsbedingten Humor aufzulockern, nimmt Morten Tyldum seinem Werk zwar viel von der Oscardrama-typischen Schwere, verschließt sich jedoch gleichsam davor, noch tiefer in die Materie einzudringen. Kurzum: Den anfangs aufgebauten Emotionen um den vielfältig mitreißenden Charakter Alan Turing fehlt es in der zweiten Hälfte spürbar an einem Katalysator.

Benedict Cumberbatch

Grundsätzlich hat „The Imitation Game“ nicht nur drei ineinander verflochtene Handlungsstränge, von denen der eine in Rückblenden aus den Kindheitstagen Alans erzählt, der zweite die geschichtsträchtigen Geschehnisse um Enigma schildert und der dritte als alles umspannende Klammer den inhaftierten, sich einer polizeilichen Befragung unterziehenden Alan Turing zeigt. Auch thematisch fischt Morten Tyldums Drama in verschiedenen Gewässern. Neben der Hauptfigur selbst sowie dessen Schicksal, als schwuler Mann in einer Zeit zu leben, in der Homosexualität strafbar war, soll bevorzugt die Prämisse des Krieges im Mittelpunkt stehen. Während die Deutschen immer weiter ins Innere Großbritanniens vordringen, stehen Alan Turing und sein Team unter strenger Beobachtung, als es heißt, den als unknackbar geltenden Enigma-Code der Nazis zu entschlüsseln. Leider ist es ausgerechnet diese Erzählebene, die ob großer atmosphärisch bedingter Defizite kaum funktioniert. Nicht nur, dass es eine reichlich beliebige Inszenierung kaum zulässt, ein Gespür für den Zeitraum des Geschehens zu entwickeln, auch die stetig steigende Bedrohung des Krieges findet in „The Imitation Game“ nur in Form von Dialog-Fetzen Erwähnung. Der psychisch immer angeschlagenere, dabei jedoch unerschütterliche Alan Turing funktioniert zwar durchaus, um das Publikum mitzureißen. Entsprechend selten stellt sich innerhalb des Filmes das Gefühl von Leerlauf ein. Doch die notwendige Tiefe, mit der ein solches Thema üblicherweise beleuchtet wird, bleibt vollends aus. Das Gefühl der Verfolgung, der Zeitdruck – all das bleibt im Trüben und muss sich vom Zuschauer selbst zusammengereimt werden. So hätte sich Tyldum vielleicht lieber nur auf zwei, anstatt auf drei Schauplätze konzentrieren sollen. So wirkt sein Film zwar durchdacht, hat jedoch nie die Chance, emotional aus den Vollen zu schöpfen.

Komponist Alexandre Desplat („Unbroken“) und Kameramann Oscar Faura („The Impossible“) kleiden „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“ in ein technisch einwandfreies, dadurch jedoch auch gewissermaßen unspektakuläres Gewand. Während sich der ebenfalls für den Oscar nominierte Score zwar nicht aufdrängt, jedoch nicht den Wiedererkennungswert eines „Interstellar“ oder „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ besitzt, liefert Faura geschichtsdramakonforme Bilder. Dabei verzichtet er auf einen allzu geleckten Look und holt aus sämtlichen Momenten das Optimum an Authentizität heraus. Auch gefällt ein leichter Wechsel in der Inszenierungsart unterschiedlicher Erzählebenen. So kommen die Rückblendungen in ihrer anklingenden Überbelichtung äußerst unschuldig daher, während zu Kriegszeiten die dunklen Farben und unauffällige Kontraste dominieren. Die Anhörung auf dem Polizeirevier verzichtet schließlich fast gänzlich auf jedwede optische Kniffe und erinnert bisweilen an Krimis wie „A Most Wanted Man“.

The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben

Alan erhält seelischen Beistand durch seine Mitarbeiterin und Freundin Joan.

Fazit: Ein herausragendes Ensemble kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Morten Tyldum mit „The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“ allenfalls ein gutes Biopic gelungen ist. Dabei mangelt es dem Drama an Intensität und Wiedererkennungswert. An der unüblichen Leichtigkeit in der Inszenierung könnte sich jedoch manch ein Oscar-Anwärter ein Beispiel nehmen.

„The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben“ ist ab dem 22. Januar in den deutschen Kinos zu sehen.

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