The Zero Theorem

Regieexzentriker Terry Gilliam entlässt in seinem neuen Film THE ZERO THEOREM Christoph Waltz als kautzigen Hacker in eine futuristische Welt. Sein Film ist bunt, kurios und auf Storyebene überraschend spannungsarm. Ob sich der Kauf eines Kinotickets dennoch lohnt, verrate ich in meiner Kritik.

The Zero Theorem

Der Plot

Das von sich sebst im Plural sprechende Computergenie Qohen Leth (Waltz) ist von seinem Alltag mehr als genervt. Tag für Tag sucht der in einer verlassenen Kirche hausende Eigenbrödler auf Anweisung des mysteriösen Management nach dem sogenannten „Zero Theorem“, einer Formel, die den Sinn des Lebens ergründen und beantworten soll. Anreiz für diese Akkordarbeit ist für Qohen einzig das Versprechen eines wichtigen Anrufs, der ihn ereilen soll, sobald er ebenjene Formel entschlüsselt hat. Doch ganz so einfach gestaltet sich die Arbeit trotz der mathematischen Fähigkeiten Qohens nicht: Nicht nur, dass der Computerhacker unter allerhand Neurosen leidet und in der aufdringlichen Gesellschaft seiner Zeit schlicht nichts zu suchen hat; spätestens, als sich Qohen in eine mysteriöse Frau (Mèlanie Thierry) verliebt, scheint er erstmals so etwas wie menschliche Gefühle zuzulassen.

Kritik

Kaum ein Filmemacher agiert in seiner Genreauswahl so gegen seine ursprüngliche Herkunft, wie das ehemalige Monty-Python-Mitglied Terry Gilliam. Seine Filme wie „12 Monkeys“, „Fear and Loathing in Las Vegas“ oder auch der weniger öffentlich beachtete „Tideland“ eint der Drang zum visuellen Exzess, irgendwo zwischen David Lynch und Tim Burton. Mit seiner Sci-Fi-Dystopie „Brazil“ schuf der visionäre Filmemacher schon einmal eine abstrakte Zukunftsvision, der er mit seinem neuesten Werk „The Zero Theorem“ so etwas wie eine den modernen Sehgewohnheiten angepasste Variation verpasst. Nur, dass hier nicht der Brite Jonathan Pryce im Mittelpunkt steht, sondern Weltstar Christoph „Bondschurke“ Waltz himself, der einmal mehr eine beeindruckende One-Man-Show jenseits von Gut und Böse abliefert. Um ihn herum versammelt sich eine ganze Reihe an Weltstars, die aus Spoiler-Gründen an dieser Stelle allerdings nicht verraten werden soll. Doch abgesehen von dem recht imposanten Cast sowie einer erneut äußerst fantasiereichen Bildsprache fällt die Story von „The Zero Theorem“ überraschend flach aus. Kurzum: Mit der imposanten Optik kann der Kern des rund 10 Millionen US-Dollar teuren Projekts – nämlich die Geschichte – nicht mithalten, was es schwer macht, die sich teils schleppende, teils wirre Haken schlagende Handlung zu verfolgen.

Christoph Waltz

Terry Gilliams Meisterstücke sind wie bei kaum einem anderen Regisseur Hollywoods eine Frage des Zugangs. Nicht selten kommt bei seinen Filmen die Frage auf, wie viel dieses überbordenden Ideenreichtums in die Rubrik „Kunst“ gehört, und was sinngemäß ein Fall für die Tonne ist. So verhält es sich auch mit „The Zero Theorem“, in welchem einmal mehr das Hauptaugenmerk vorzugsweise auf der visuellen Ausdrucksstärke liegt. In Zusammenarbeit mit seinem Kameramann Nicola Pecorini („Brothers Grimm“) kreiert Gilliam einen Überwachungsstaat der Zukunft, voll von Verbotsschildern, sich dem Betrachter anpassender Werbung und allerhand kuriosen Gadgets, die diese „Truman Show“-Variation vermeintlich einfacher machen soll. Tatsächlich lässt „The Zero Theorem“ in seiner Vorstellung einer dem Untergang geweihten Gesellschaft immer wieder Bezüge an besagte Mediensatire mit Jim Carrey anklingen. Zwar steht in Gilliams kranker Zukunftsfantasie kein Alleinunterhalter im Mittelpunkt, dafür hat sich die Lage quasi einmal um sich selbst gedreht. Ab sofort steht jeder im Fokus der Öffentlichkeit – begafft von einem übermächtigen Herrscher namens Management, der über diese gesellschaftliche Nabelschau wacht. In der „Truman Show“ wurde diese Figur noch von Ed Harris verkörpert. Versteht man Management als Versinnbildlichung der modernen Industriegesellschaft, worauf übrigens auch der Name hindeutet, erhält diese Figur zudem einen bissigen Beigeschmack. Auch deshalb, weil man ab jetzt kaum mehr von einer Science-Fiction-Fantasy sprechen kann, sondern von Brachialsatire.

Doch unter all diesen interessanten Ansätzen liegt nun mal auch der Haupt-Handlungsstrang, rund um die Entschlüsselung des titelgebenden Zero Theorems. Wenngleich Terry Gilliam dem Zuschauer den Sinn der Formel leicht verständlich näherbringt, in dem er sie mithilfe einer 3D-Grafik visualisiert, so hat es keinen andauernden Unterhaltungswert, Christoph Waltz beim Verzweifeln vor der Aufgabe zuzusehen. Viel zu lange hält sich das Skript an der Computerarbeit auf, schiebt immer mal wieder kuriose Nebenfiguren dazwischen und lässt das Publikum mit wesentlich mehr Fragen zurück, als er schlussendlich Antworten bietet. Das ist gerade für die Filme von Terry Gilliam per se kein Todesurteil. Hier trübt es das Seherlebnis aufgrund allzu verklausulierter Erklärungen jedoch merklich. Auch das Verhältnis zwischen Qohen und seiner Angebeteten Bainsley (Mélanie Thierry) lädt nur schwer zum Mitfiebern ein. Aufgrund des stetig unnahbar bleibenden Waltz und der undurchsichtig agierenden Thierry fliegen die Funken nie spürbar, sondern fühlen sich, auch aus Rollensicht, durchgehend fremd an. Zwar will „The Zero Theorem“ ohnehin zu keinem Zeitpunkt eine (skurrile) Liebesgeschichte erzählen, sondern legt den Fokus auf Qohen als Persönlichkeit. Dabei vergisst der hier debütierende Drehbuchautor Pat Rushin allerdings, den Neurosen seiner Hauptfigur auch annähernd sympathische Züge hinzuzudichten.

Bainsley (Mélanie Thierry) wird zu der Frau, in die sich Qohen zum ersten Mal verliebt.

Bainsley (Mélanie Thierry) wird zu der Frau, in die sich Qohen zum ersten Mal verliebt.

Fazit: „The Zero Theorem“ ist zwar ein typischer Terry Gilliam, doch die Passion seiner Vorwerke versprüht dieser Film nicht. Christoph Waltz gelingt erwartungsgemäß ein interessantes Stück Schauspielkino. Auch das mit sehr geringen finanziellen Mitteln geschaffene Setting bringt den Zuschauer zum Staunen. Doch allzu schnell hat man sich satt gesehen. So ist „The Zero Theorem“ zwar insgesamt sehenswert, wohl aber einer der schwächsten Filme des umjubelten Filmemachers.

„The Zero Theorem“ ist ab dem 27. November bundesweit in den Kinos zu sehen.

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