Große Jungs – Forever Young

Kinogänger, die während der WM nicht auf ihren regelmäßigen Filmkonsum verzichten wollen, haben derzeit mit einer echten Kinoflaute zu kämpfen. Die Filmstudios schicken vornehmlich zweitklassige Filmware in die Lichtspielhäuser, wozu vermutlich auch GROSSE JUNGS – FOREVER YOUNG gehört. Die Komödie hätte ohne den WM-Bonus vermutlich gar keine Chance, hierzulande zu überzeugen. Ob sich der Film tatsächlich als Fußball-Alternative eignet, verrate ich in meiner Kritik. 

 

Der Plot

Als der etwas durchgeknallte Möchtegern-Musiker Thomas (Max Boublil) seine Freundin Lila (Mélanie Bernie) mit einem Verlobungsring überrascht, sagt sie sofort ja. Doch als sie ihn ihrer Eltern vorstellt, nehmen die Dinge einen anderen Lauf, als sie gedacht hatte. Thomas‘ zukünftiger Schwiegervater Gilbert (Alain Chabat), der eine gefühlte Ewigkeit verheiratet ist, verbringt die Tage neuerdings gefrustet auf dem Sofa. Er hat seine Firma verkauft, aber was seine Situation noch schlimmer macht, ist für ihn ganz klar: seine Ehe. Anstatt sich über seinen neuen Schwiegersohn zu freuen, warnt er Thomas vorm Heiraten, dem größten Fehler, den ein Mann machen kann! Thomas lässt sich von Gilberts schlechter Laune aber nicht abschrecken, und schon der erste Anflug zu zweit weckt den großen Jungen in Gilbert. Von da an lässt er keine Gelegenheit aus, Thomas dazj zu bringen, nicht an die bevorstehende Hochzeit zu denken, sondern lieber mit ihm die Sau raus zu lassen. Die beiden starten in ein neues Leben voller Partys, Frauen und Blödsinn und es dauert nicht lange, bis Lola und ihre Mutter die Nase voll von ihnen haben. Gilbert und Thomas müssen erkennen, was der Preis für ihre neu gewonnenen Freiheiten ist. Doch ist jetzt schon alles zu spät?

Kritik

Ursprünglich sollte Anthony Marcianos Debütfilm „Große Jungs – Forever Young“, der seine Deutschlandpremiere beim Filmfest Hamburg feierte, schon vor rund einem halben Jahr in die deutschen Kinos kommen. Doch dem Verleih fehlte offenbar der Mut, den Streifen während einer regulären Startwoche in die Lichtspielhäuser zu schicken. Um nun immerhin ein respektables Einspielergebnis zu erzielen, fiel die Wahl nun also auf die erste Juli-Woche als Anlauftermin, in welcher lediglich „Tammy“ parallel auf großen Besucherfang gehen wird und Fußball-Deutschland nach wie vor lieber vor den Fernsehschirmen respektive beim Public Viewing anzutreffen sein wird. Überhaupt beweisen Filme wie „Einmal Hans mit scharfer Soße“, „Cuban Fury“ und „About Last Night“, dass die Filmverleiher während der WM vornehmlich auf Wohlfühlkomödien setzen, um die Sportmuffel unter den Kinogängern, dem Verständnis der Studios nach offenbar vornehmlich Frauen, ins Filmtheater zu locken. In Frankreich verführte die Komödie knapp zwei Millionen Besucher zum Ticketkauf. Hierzulande wird sich der Streifen wohl lediglich einem Nischenpublikum erschließen, was angesichts der Inszenierung weder wundert, noch offensichtlich ist. „Große Jungs“ ist weder Fisch noch Fleisch, zeigt sich mal ambitioniert geschrieben und ist im nächsten Moment voll von lapidarer Dramaturgie.

Seine Stärken zieht „Große Jungs – Forever Young“ allen voran aus der Dynamik des perfekt gecasteten Herrenduos. Alain Chabat („Der Schaum der Tage“) mimt den mürrischen Griesgram, der mitten in der Midlife-Crisis steckt und in seinem Schwiegersohn eine Gelegenheit zum Ausbruch sieht. Max Boublil („Eine Hochzeit und andere Hindernisse“) funktioniert im Zusammenspiel mit Chabat perfekt und legt ein ordentliches Gespür für komödiantisches Timing an den Tag, ohne sich dabei auf Grimassen oder Slapstick zu verlassen. Gerade in den Dialogen finden sich spitzfindige Pointen, die auf eine genaue Beobachtungsgabe der Autoren schließen lassen: Fürs Drehbuch verantwortlich zeichnet derweil nicht nur ebenfalls der Regisseur, sondern eben auch Max Boublil, der sich seine Figur des Thomas wie auf den Leib geschrieben hat. Wenn er und Gilbert sich zu Beginn auf einen Roadtrip-artigen Streifzug durch die Stadt begeben und der Witz aus ganz alltäglichen Dingen wie dem Beiwohnen einer aus dem Ruder laufenden Weinverkostung im Supermarkt her rühren, finden sich die Gags vor allem im Detail der Alltagsbeobachtung; So kennt wohl so ziemlich jeder die ein oder andere Angewohnheit, die einem bei seinem Gegenüber stört. Im Falle von „Große Jungs“ trifft es Gilberts Frau, die bei jeder Gelegenheit mit Holzstäbchen ist und einen Satz nie zu Ende spricht. Derartige Überspitzungen sind in ihrer hier dargebrachten Form ebenso lustig wie liebenswert und erweisen sich als echte Schenkelklopfer. Da wirkt die grobschlächtige Skizzierung sämtlicher Charaktere fast wie aus einem anderen Film.

Während sich die Story wenig originell, dafür temporeich und gen Ende hin fast aus dem Ruder laufend voranschiebt, passt die Figurenzeichnung sämtlicher Beteiligter allenfalls auf eine Briefmarke. Es gibt den Jungspund, den, der es nochmal wissen will und die beiden Damen, die unter den Macken ihrer Männer zu leiden haben. Per se spricht bei einer leichten Komödie nichts gegen solch eine offensichtliche Charakterisierung. Leider hantieren die Macher munter mit ihren Figuren herum, ohne die ursprüngliche Einführung ebenjener zu berücksichtigen. Während sich Thomas zunächst nur von Gilbert anstecken lässt, mutiert er im nächsten Moment zum ignoranten Vollidioten. Selbiges gilt für Gilbert, der sich alsbald gar gegen seinen zukünftigen Schwiegersohn sowie dessen Zukunftspläne stellt. Im Zusammenhang der Story tragen derartige Gesinnungswechsel nur dazu bei, auf brachiale Weise Wendungen innerhalb des Plots herbeizuführen. Das wäre jedoch auch eleganter gegangen.

Während Anthony Marciano auf diese Weise mehr als einmal sein eigenes Skript verrät, überzeugen die Darsteller allesamt. Max Boublil hat vor allem in den ausufernden Storypassagen sichtlich Spaß, seine Figur über die Strenge schlagen zu lassen und Alain Chabat hantiert hervorragend mit seinen beiden Ichs, dem Draufgänger sowie dem fürsorglichen Familienvater. Mélanie Bernie („Das Labyrinth der Wörter“) bleibt hinter den beiden Herren ein wenig zurück und kann nie aus dem Schatten ihres Zukünftigen heraustreten. Auch ihre Figur lässt nur ein oberflächliches Spiel zu; „Große Jungs – Forever Young“ thematisiert eben hauptsächlich die besagten großen Jungs. Sandrine Kiberlain („Violette“) stellt dafür umso nuancierter das typische Abbild einer stereotypen „Öko-Trulla“ dar. Wenn sie gen Ende schließlich auf ihr perfektes Ebenbild in Mannesgestalt trifft, sind dies die ganz großen Höhepunkte dieser Komödie, der man ihr verschenktes Potenzial leider viel zu oft anmerkt. Was dagegen gelingt, sind die Seitenhiebe auf die Banalitäten innerhalb des Musikbusiness, wenn ein Popstar im Grundschulalter zum Medienstar aufsteigt und die primitivsten Songtexte zum Kult avancieren. Mit derart hintersinnigem Humor, gepaart mit einer ordentlichen Portion Anarchismus (Stichwort: Dolmetscher) schafft es „Große Jungs – Forever Young“ vor allem im Finale, zu überzeugen.

Fazit: Nach hinten raus wird’s besser. Trotz dramaturgischer Defizite gelingt Anthony Marciano ein insgesamt gelungener, da durchweg amüsanter Beitrag zum Komödiengenre, dessen inkonsequente Charakterzeichnung zwar verärgert, aufgrund vieler gelungener Pointen jedoch nicht allzu sehr ins Gewicht fällt. Die unverbrauchten Gesichter innerhalb der Besetzung sorgen für Frische, dennoch fehlt es „Große Jungs – Forever Young“ hier und da an innerer Logik: Zur Identifikation lädt die Komödie jedenfalls nicht ein.

„Große Jungs – Forever Young“ ist ab dem 3. Juli im Kino zu sehen.

Erschienen bei IOFP.de