You’re Next

Mit seinem humoristischen Horror-Thriller YOU’RE NEXT begibt sich Regisseur Adam Wingard stilistisch zurück in die Siebziger- und Achtzigerjahre, die Ära des Terrorfilms. Dabei jongliert der Filmemacher nicht nur gekonnt mit Genrekonventionen, sondern liefert zudem einen augenzwinkernden auf unser aller Sehgewohnheiten. Eine kurze Kritik.

Der Plot

Paul (Rob Moran) und Aubrey (Barbara Crampton) haben ihre vier Kinder anlässlich ihres Hochzeitstages auf ihren abgelegenen Landsitz zu Speis und Trank eingeladen. Nach Jahren endlich wieder vereint verspricht der Abend jede Menge Spaß und Entspannung, die jedoch jäh gestört wird, als ein durch die Fensterscheibe fliegender Armbrustbolzen mitten im Schädel des jungen Filmemachers Tariq (Ti West) einschlägt. Eine Bande von Tiermasken tragenden Killern hat es auf die Familie abgesehen…

Kritik

Vor allem zwei Filme sorgten 2013 im Horrorsegment für besonderes Aufsehen unter Genrefans. James Wans Suspense-Feuerwerk „Conjuring – Die Heimsuchung“ brachte wohligen Oldschool-Grusel in die deutschen Kinosäle und führte selbst bei gestandenen Filmkritikern zu Gänsehaut, sowie Adam Wingards („V/H/S“) Ode an das Siebziger- und Achtzigerjahre-Terrorkino „You’re Next“, die Horrorliebhaber auf der ganzen Welt frohlocken ließ. Dabei schien es zunächst so, als müsse die Fangemeinde des Filmemachers vergeblich auf die gewitzte Genre-Demaskierung warten. Zwei lange Jahre verbrachte „You’re Next“ im Giftschrank der Produktionsfirma Lionsgate, obwohl der Film bei ersten Festival-Vorführungen im Jahre 2011 durchweg positiv vom Publikum aufgenommen wurde. Kein Wunder: Adam Wingard tut etwas, was es im Horrorgenre heutzutage kaum noch gibt – er überrascht, indem er darauf verzichtet, ausgetretene Pfade zu begehen, ohne dabei auf einen mittlerweile ebenfalls zum Standardrepertoire eines jeden Horrorregisseurs gehörenden 180-Grad-Twist zu setzen. Gekonnt manövriert er einen harmonischen Cast durch eine gut eineinhalbstündige Tour de Force, die mit der Zeit immer genre-untypischere Züge annimmt, ohne grotesk zu werden. Dabei bleibt Wingard seinen augenscheinlichen Terror-Vorbildern treu und präsentiert uns „You’re Next“ im visuellen Gewand von „Das letzte Haus links“ oder „Ich spuck auf dein Grab“. Dabei verzichtet er trotz saftiger Splatter-Effekte darauf, in allzu verstörende Gefilde abzurutschen, sondern jongliert gekonnt mit den Möglichkeiten, die sich einem Regisseur öffnen, der sich nicht auf gängige Regeln des Horrorsegments verlassen muss. Wingard nahm sich alle Freiheiten die er sich augenscheinlich vorstellen konnte und kombiniert Schrecken und Komik auf das Vortrefflichste. Das Gewöhnlichste an seinem Film ist in der Hinsicht wohl noch die Geschichte selbst.

Bereits im Prolog kündigt sich an, dass Adam Wingard genug von weichgespülten FSK-16-Gruselfilmen sowie hochglänzenden Remakes zu haben scheint. Sein nihilistischer Erzählstil, die rasanten Schnittfolgen und die mit Blut nicht geizenden Splatterszenen setzen rasch ein Statement. „You’re Next“ konfrontiert sein Publikum mit Gewalt in der reinsten Form. Dass der Verlauf der Story schließlich in eine teils urkomische, das Genre genau kennende Horror-Satire der Marke „Cabin in the Woods“ mündet, sei an dieser Stelle verraten. Des Weiteren macht „You’re Next“ jedoch am meisten Spaß, wenn der Zuschauer sich möglichst unvorbereitet an den Film wagt. Die Darsteller, zu denen auch der aufstrebende Regisseur Ti West („The Innkeepers“) gehört, bei dem man das Gefühl nicht loswird, er spiele in „You’re Next“ einfach mal ganz sich selbst, machen ihre Arbeit allesamt solide, während sich Sharni Vinson („Step Up 3D“) als ein Final Girl der etwas anderen Art entpuppt und ihren Kollegen mit ihrer ambivalent angelegten Figur haushoch überlegen ist.

Keiner weiß, was die Fremden vorhaben.

Auf der technischen Ebene folgt der Streifen ganz seinen großen Terrorvorbildern und setzt weniger auf effekthascherische Jumpscares denn eine fiese Atmosphäre. Ungeschönt-dreckige Bilder im Stile von „The Strangers“ und ein nervenzehrender Score runden das stimmige Erscheinungsbild eines Terrorfilms der alten Schule ab und machen „You’re Next“ zu einem hochinteressanten Film: Wann gab es zuletzt knallharten Horror, der auf spitzfindige Komik trifft?

Erschienen in der Deadline, Ausgabe 44