Motel

In Zeiten, in denen Kritiker und vermeintlich anspruchsvolles Kino-Publikum unentwegt nach Innovation schreien, müssten sich Filmemacher von Pre- und Sequels sowie beim Zurückgreifen auf abgedroschene Filmklischees ständig ein qualitatives Bein stellen. Dass es auch anders geht, beweist mit MOTEL der US-Ungarische Regisseur Nimrod Antál, der 2007 einen strikten Horrorthriller inszenierte, der Innovation zwar tatsächlich vermissen lässt, aus den ihm verbliebenen Mitteln jedoch das Optimum an Spannung herausholt. Warum, das lest Ihr in meiner heutigen Kritik. 

Inhalt

David und Amy Fox (Kate Beckinsale & Luke Wilson) sind seit dem Tod ihres gemeinsamen Sohnes unglücklich in ihrer Ehe. Die Scheidung steht kurz bevor. Eines Nachts fahren beide über eine einsame Landstraße, als der Motor seinen Geist aufgibt. Bis zur nächsten Werkstatt ist es zu weit und so mieten sich beide über Nacht in ein Motel ein. Auch, wenn der Manager des versifften Schuppens (Frank Whaley) reichlich zwielichtig anmutet, beschließen die beiden, dort zu bleiben. Um sich die Zeit zu vertreiben, legt David eine alte Videokassette ein, die er in ihrem Zimmer findet. Darauf macht er eine schaurige Entdeckung: Offenbar wurden all ihre Vormieter zu Opfern brutaler Foltermorde. Und es dauert nicht lange, da klopft es an die Tür…

„Bis zum Frühstück seid ihr tot!“

Kritik

Das Zauberwort in der Kritiker-Branche nennt sich „Innovation“. Jeder fordert sie, jeder braucht sie und jeder ist sich sicher, dass ein Film ohne sie gleich wesentlich weniger Aufmerksamkeit benötigt, als wenn er sie vorweisen könne. Kein Wunder. Besagte Innovation verspricht Überraschung und den Mut, neue Wege zu gehen. Das ist auch bitter nötig. Erst recht dann, wenn die seit Jahren im Geschäft tätigen Rezensenten heutzutage „schon alles gesehen“ haben. Dass dann aber ein Hauen und Stechen entsteht, sobald es sich ein Regisseur erlaubt, von seinen bisher begangenen Pfaden abzuweichen und sich einen feuchten Kehricht darum zu schert, was für Filmkost das Publikum bislang von ihm gewohnt war, widerspricht gänzlich dem Verlangen nach Neuem. Zuletzt gesehen bei Nicolas Winding Refns Ausflug ins surrealistische Kunstkino, das angesichts seines Vorwerks „Drive“ nur müde belächelt wurde. „Innovation ja, aber bitte nur, solange alles seinen gewohnten Gang geht.“, könnte man als Kritiker-Forderung an sämtliche Filmemacher zusammenfassen. Zumindest, solange man sich bemühen möchte, es ihnen recht zu machen. Dann nämlich verzichtet man ab sofort auf alles schon dagewesene, lässt die Finger von Franchises und nimmt Abstand von Pre- und Sequels sowie Remakes.

Von diesem Ort gibt es kein Entkommen!

Weshalb ausgerechnet der 2007 von Nimród Antal inszenierte Thriller „Motel“ für einen kleinen Rundumschlag in Richtung des meckernden Kritikerkollegiums einlädt, ist schnell erklärt. „Vacancy“, wie der Streifen im Original heißt, ist ein Bilderbuchbeispiel für einen klassischen Durchschnittsfilm, der sich sämtlicher, bereits gesehener Prämissen bedient – und dabei trotzdem weit von einem cineastischen Desaster entfernt ist. „Motel“ ist sich seines geringen Innovationsgehalts bewusst und liefert dennoch knackige neunzig Minuten Spannung, deren Verlauf man zwar vorausahnt, gerade dadurch jedoch dazu angehalten ist, mit den beiden Protagonisten mitzufiebern. Zudem liefert Undergroundregisseur Nimród Antal, der durch den 3D-Konzertfilm „Metallica – Through the Never“ gerade einem musikaffinen Kinopublikum bekannt geworden ist, eine überdeutliche Alfred-Hitchcock-Hommage ab, deren Herzblut man aufgrund kleiner Details wie ausgestöpfte Vögel als Referenz an „Vögel“ oder ein auffälliger Duschvorhang als Querverweis zu „Psycho“, sofort erkennt.

Ein dahingerotztes Billigfilmchen ist „Motel“ schon mal nicht. Zu liebevoll spielt Antal sein Stilwissen aus und präsentiert seinen teils arg horrorlastigen Thriller als in seiner schmuddeligen Optik dennoch schnörkellos-eleganten Adrenalinpusher. Antal hält sich nicht lange mit großen Einführungen in die Handlung auf. Bereits die Eingangsszenerie konfrontiert das Publikum mit der eisigen Stimmung unter dem Hauptdarsteller-Pärchen sowie dem Auslöser für die sich anschließend im Motel abspielende Misére: eine Autopanne. Das ist nicht sonderlich originell und doch erfüllt es seinen Zweck. Schnell wird die ausweglose Situation deutlich, in welcher sich Amy und David befinden und für Horrorfilm-Verhältnisse agieren die beiden sogar recht logisch, weshalb eine Identifikation mit beiden Figuren schnell möglich wird. Für eine Story, die so in der Art schon oft Stoff für einen (Horror-)Thriller bot, ist dieses Prädikat gleich doppelt wertvoll.

Mit der Snuff-Film-Thematik, die auch bereits in Filmen wie „8mm – Acht Millimeter“ zum Tragen kam, begeht „Motel“ dann schließlich doch noch halbwegs neue Wege und begnügt sich nicht mit einem gesichtslosen Antagonisten, dessen Gesinnung und Motiv sich für den Zuschauer erst spät oder gar nicht erschließt. Ein Mörder-Trio, das in einem abgelegenen Motel Menschen zu Tode foltert und diese Bilder schließlich auf Band aufnimmt als Storygrundlage genügt für einen nicht einmal eineinhalbstündigen Up-Tempo-Thriller, dessen Hauptaugenmerk auf einem schlichten Gut-gegen-Böse-Kampf liegt. Beide Seiten sind klar definiert, gleichwohl hätte vor allem den Protagonisten eine deutlichere Charakterzeichnung gut getan. Denn auch, wenn Kate Beckinsale („Aviator“, „Van Helsing“) und Luke Wilson („Todeszug nach Yuma“, „Die Eisprinzen“) in ihren Rollen durchweg glaubwürdig agieren, bleiben ihre Rollen – an Charakterdrama-Verhältnissen gemessen – viel zu blass. Dem Entertainment-Faktor von „Motel“ tut dies jedoch keinen Abbruch. Vor allem Frank Whaley als Motelmanager („Alcatraz“, „Ray Donovan“) mimt das abgrundtiefböse Ekel mit Bravour, sodass sich dessen übertrieben freundliche und dabei so ungeheuer fiese Visage noch lange in das Gesicht der Motelgäste einbrennen wird.

Fazit: „Motel“ ist weit davon entfernt, ein innovativer Horrorthriller zu sein. Macht aber nichts. Die strikte Inszenierungsweise und Nimród Antals Stilsicherheit lassen den Film zu einem angenehm-kurzweiligen Vergnügen werden, das mit seinen untergebrachten Hitchcock-Hommagen offenbart, dass ungeahnt viel Herz in ihm steckt.